SZ-Serie: Lebenslanges Lernen, Folge 2:Eine alte Liebe, die fit hält

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"Mein Arzt hat gesagt, dass ich Gymnastik machen muss": Doch Helga Fellmann will anders gegen ihre Rückenschmerzen vorgehen. Sie schreibt sich mit 60 Jahren für einen Ballettkurs ein. (Foto: Johannes Simon)

Helga Fellmann aus Germering besucht seit vielen Jahren einen VHS-Ballettkurs. Die Mittänzerinnen sind zumeist Mädchen und junge Frauen - sie ist 77. Doch zu alt fühlt sich die Seniorin nicht, denn den klassischen Tanz und die Übungen an der Stange hat sie schon als Kind gemocht

Von Andreas Ostermeier, Germering

Helga Fellmann steht kerzengerade an der Wohnungstür, als sie zum Gespräch empfängt. Sie hat die schlanke Figur einer Tänzerin. Seit 17 Jahren nimmt sie Ballettstunden - bei der Volkshochschule (VHS) Germering. 60 Jahre alt war sie, als sie mit dem Ballett wieder angefangen hat. Auslöser waren Rückenschmerzen. "Mein Arzt hat gesagt, dass ich Gymnastik machen muss." Sie machte Übungen, aber Wirbelsäulengymnastik war nicht ihr Ding. Sie erinnerte sich, dass sie als Mädchen gerne zum Ballett gegangen war. Warum nicht wieder damit anfangen? Doch den üblichen Ballettunterricht absolvieren Kinder und Jugendliche. Mit denen sollte sie als 60-Jährige mittanzen?

Eine Ballettlehrerin gab ihr den entscheidenden Tipp. Sie unterrichte auch bei der Volkshochschule, ob Fellmann nicht zu einer Stunde kommen wolle? Damit begann die zweite Ballettzeit in Fellmanns Leben, und die dauert, so hofft die Germeringerin, noch viele Jahre an. So lange sie ihre Übungen an der Stange machen könne, bleibe sie dabei, sagt die 77-Jährige. Freilich trägt sie in den Stunden kein Tutu mehr, und auch der Spitzentanz gehört nicht mehr zu ihrem Repertoire. Die Übungen, die sie macht, tun ihr gut. Man benötige Haltung und Disziplin, um sie richtig ausführen zu können, sagt Fellmann, und eben das schätzt sie am Ballett. Auch für ihre Mutter war dies bereits ein Vorzug am klassischen Tanz, und sie hat die Tochter deshalb regelmäßig zum Ballettunterricht geschickt.

Neben der aufrechten Haltung trainiert Fellmann mithilfe der Übungen auch Balance und Körperbeherrschung, gerade im Seniorenalter ist das wichtig. Zweimal sei sie in den Wintermonaten ausgerutscht, erzählt sie. Außer ein paar blauen Flecken hat sie sich bei den Stürzen aber keine Verletzungen zugezogen. Dass sie hinfallen kann, ohne sich etwas zu brechen, das ist für sie eine Folge des Tanzens. Deshalb würde sie dieses auch Alt und Jung empfehlen.

Das Tanzen in den VHS-Kursen gefällt Fellmann gut. Außer ihr gehört noch eine weitere 77-Jährige zur Gruppe, aber auch zwei Mädchen im Alter von zwölf und 15 Jahren, sowie sämtliche Altersklassen dazwischen. Geleitet wird der Kurs von einem Mann, der als Balletttänzer gearbeitet hat, aber als 50-Jähriger nur noch selten auf der Bühne steht. Etwa sechs Tanzlehrer haben in den mehr als eineinhalb Jahrzehnten die Ballettkurse geleitet, erinnert sich Fellmann, Männer wie Frauen. Anders sieht es bei den Kursbesuchern aus. Sie sind fast ausschließlich Frauen. Nur ein Mann tanzte einmal mit in all den Jahren.

Zum Ballettunterricht ging Helga Fellmann schon als Mädchen gerne. Doch das Tanzen blieb ein Hobby. Die Tochter eines Arztes aus Kassel studierte in München Archäologie. Beim Studium lernte sie ihren Mann kennen, auch er Archäologe. Eine dem Studium adäquate Anstellung zu finden war schwer, erst recht nach der Geburt der beiden Söhne. Helga Fellmann versorgte die Kinder und führte den Haushalt. Das Tanzen verlor sie dabei aus den Augen - bis zu dem Tag, an dem sie auf Anraten einer Tanzlehrerin ihre erste Ballettstunde bei der Volkshochschule besuchte. 17 Jahre ist das nun her.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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