SZ-Serie: Die Seele des Vereins, Folge 6:Die baritonale Seele der Sänger

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33 Jahre lang war Hubert Gonschior Leiterdes Emmeringer Männerchores. In diesem Jahr feiert er 61 Jahre Mitgliedschaft

Von Florian J. Haamann, Emmering

Vier, vielleicht fünf Wochen. So lange sollte Hubert Gonschior vertretungsweise den Emmeringer Männerchor leiten. Nur so lange, bis der neue Lehrer in die Gemeinde kommt. Denn damals, also 1962, sei es üblich gewesen, erzählt Gonschior, dass dieser auch den Chor leitet. Doch als der neue ankam, habe er schnell deutlich gemacht, dass daraus nichts wird. Den Kirchenchor ja, den Männerchor aber nicht. Also haben die Kollegen den damals 25-jährigen Gonschior gebeten, das Amt des Chorleiters zu übernehmen. Gonschior sagte zu, und aus den vier Wochen wurden 33 Jahre.

"1994 hatte ich dann einen Herzinfarkt. Da habe ich gesagt, das mache ich nicht weiter. Wer weiß, wenn der Infarkt nicht gewesen wäre, würde ich den Chor vielleicht heute noch leiten, es hat mir schon richtig Spaß gemacht", sagt der heute 79-Jährige und lacht herzlich. Ganz zurückziehen konnte sich der Vereinsmensch Gonschior nach seiner Krankheit allerdings nicht. Denn kaum war er als Chorleiter zurückgetreten, zog sich auch der Vorstand zurück. Und Gonschior übernahm, für zehn Jahre. "Danach bin ich aber nicht, wie es andere machen, in Pension gegangen, sondern zurück ins Glied getreten", so Gonschior. Und dort ist er noch heute. Mit seinem Bariton unterstützt er die gut 20 Mitglieder des Chores noch immer. Im vergangenen Jahr feierte er 60 Jahre Mitgliedschaft.

Seit 61 Jahren ist Hubert Gonschior ein treues Mitglied des Emmeringer Männerchors. (Foto: Johannes Simon)

Die Musik hat der 79-Jährige von Kindheit an aufgesogen. Bereits sein Vater war Chorsänger, sein Onkel Hornist bei den Berliner Philharmonikern. Hubert Gonschior war als Kind fünf Jahre im Freisinger Knabenchor. "Ich war dort, weil ich damals Pfarrer werden wollte. Doch nach fünf Jahren sah das anders aus", erzählt er. Unter anderem habe er als 16-Jähriger entdeckt, dass es ja auch interessante und nette Mädchen gibt und dass die sich mit dem Priestertum schlecht vereinbaren lassen. Deshalb ließ er diesen Wunsch fallen, heiratete und wurde Mitarbeiter bei einer Bank.

Nach einer Zeit in Egenhofen, dorthin wurden sie als schlesische Flüchtlinge zugeteilt, zog die Familie 1947 nach Emmering, wo der Vater in einer Ziegelei Arbeit gefunden hatte. Seitdem lebt Hubert Gonschior dort und ist ein aktiver Teil des Vereinslebens - nicht nur bei den Sängern.

Denn auch in den beiden Sportvereinen, bei den Fußballern und den Turnern, war er lange aktiv. "Mit 16 hatte ich eine schwere Knieverletzung, nach der ich nicht mehr Fußball spielen konnte. Aber ich wurde ein ganz guter Leichtathlet". Beiden Vereinen ist er auch nach seiner aktiven Zeit treu geblieben, die Spiele der Fußballer besucht er bis heute ab und an. In letzter Zeit sei das allerdings etwas weniger geworden, weil er nun öfter seinem Enkel, der in Oberweikertshofen spielt, auf dem Platz zuschaut. Ob er sonst noch in einem Verein aktiv ist? "Na ja, im Kirchenchor singe ich auch schon seit vielen Jahren". Einmal die Woche, immer dienstags, wird dort geprobt, montags dann bei Männerchor.

Familienfoto: Hubert Gonschior (zweite Reihe, fünfter von links), sein Bruder Werner (erste Reihe, zweiter von links) und der Vater (hinten Mitte mit grauem Haar) mit dem Männerchor. (Foto: oh)

Damals, als Gonschior Leiter des Chores war, habe man immer so zwischen 40 und 50 Mitglieder gehabt, heute sind es noch etwa 25. "Wenn sich junge Leute für das Singen interessieren, dann zieht es sie eher zu gemischten Chören", weiß der Emmeringer. Ab und an bekomme man noch neue Mitglied, meist sind es Männer, die zuziehen und schon früher in einem Chor waren. Junge Leute dagegen kommen überhaupt nicht mehr dazu. Das jüngste Mitglied ist der 41-jährige Joachim Dorfmeister, der aktuelle Chorleiter.

Allerdings gehörte auch Gonschior zu den jüngeren Mitgliedern, als er mit 25 Jahren die Chorleitung übernahm. "Das war aber kein Problem, die anderen haben schon auf mich gehört", sagt er. Er habe damals versucht, den Chor vom "Bauernchor", als der bezeichnet wurde, zum anspruchsvollen Ensemble zu führen. "Bei meinem Vorgänger hat man sich getroffen und angefangen zu singen. Ich habe angefangen mich um die Stimmbildung zu kümmern". Dabei habe er sehr von seiner Zeit bei den Freisinger Knaben profitiert. Zu den Mitgliedern des Chores gehörten damals auch sein Bruder Werner, der auch bis heute aktiv ist, und sogar der Vater.

Seine fünf Enkel konnte Gonschior allerdings bisher nicht für den Männerchor begeistern. Einer, erzählt er, hätte vielleicht Interesse, aber der studiere in München. Ob er sich Sorgen um die Zukunft des Chores mache? Natürlich spreche man im Vorstand darüber, eine Auflösung sei durchaus ein Thema gewesen. Aber dann habe man entschieden weiter zu machen, so lange es eben noch geht.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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