SZ-Serie: Die Seele des Vereins, Folge 2:Ein Mann für alle Fälle

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Wolfgang Wickenrieder weiß beim EV Fürstenfeldbruck über alle Einzelheiten Bescheid. Seit 28 Jahren ist der 49-Jährige als Technischer Leiter unverzichtbar. Die Gemeinschaft, die er dort erlebt, ist ihm ziemlich wichtig

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Der Mann hatte es sich zweifellos verdient, dass die Versammlung sich von ihren Sitzen erhob und ihm Beifall klatschte. Der Applaus galt Wolfgang Wickenrieder. Seit beinahe 30 Jahren kümmert er sich beim Eislaufverein Fürstenfeldbruck um viele Einzelheiten und Kleinigkeiten. Weil sie wissen, was sie an ihm haben, wird er immer wieder ausgezeichnet. Darauf angesprochen, schmunzelt er und deutet an, dass das schon ein bisschen Routine für ihn ist. Ja, sagt er, er habe schon "viele Teller" zu Hause und dennoch komme es immer wieder vor, dass bei anstehenden Ehrungen sein Name fällt.

"Wicki", wie ihn alle nennen im Verein, macht kein großes Aufhebens darum. Wichtiger als die Bestätigung für seine Arbeit in Form von Urkunden oder Auszeichnungen ist ihm das Erleben im Verein. "Es ist diese ganze Gemeinschaft", sagt er: "Wir sind eine EVF-Familie." Zu der gehört der Fürstenfeldbrucker, seit ihn Schulfreunde, die Eishockey spielten, dorthin mitgenommen haben. Die Stunden, die er im Eisstadion an der Klosterstraße verbracht hat, wurden immer mehr, auch zu Auswärtsspielen fuhr er mit, bis man ihn empfahl: "Steig' doch gleich mit ein! Als Betreuer!" Das macht er.

Wolfgang Wickenrieder ist aus dem Vereinsleben des EV Fürstenfeldbruck nicht wegzudenken. Das städtische Eisstadion ist für den 49-Jährigen fast so etwas wie eine zweite Heimat. (Foto: Günther Reger)

Seit 1989 ist der heute 49-Jährige Technischer Leiter und dafür zuständig, Spiel- und Trainingszeiten für sämtliche EVF-Teams auszuhandeln und mit den Nachbarn vom Eis- und Rollsportclub (ERCF) und dem öffentlichen Eislauf zu koordinieren. Er kümmert sich um anfallende Büroarbeiten, um Spielerpassangelegenheiten, besucht die Vorstandssitzungen und "führt die Neulinge ein", wie er sagt. Jene Ehrenamtlichen, die neu mitmachen und dies und das wissen müssen. "Frag' den Wicki! Der kennt sich aus", würden sie dann von anderen zur Antwort kriegen, erzählt er mit einer Mischung aus Stolz und dem Wissen, dass sich in seiner Person jede Menge Detailkenntnisse bündeln. Einiges davon findet sich auch auf der Internetseite des Vereins. Die aktuell zu halten, auch darum kümmert er sich, zudem ist er im Auftrag des Bayerischen Eishockey-Verbandes für die Termingestaltung aller Spielgruppen der Landesliga zuständig.

Er tüftelt an den Spielplänen. Dabei unterstützt ihn der Computer, Zusatzwissen aber ist hilfreich. Beispielsweise, wenn darauf Rücksicht genommen werden muss, dass jene Vereine, die keine Halle haben, beim Saisonstart im Oktober möglicherweise noch kein Eis machen können, weil es draußen nicht kalt genug ist.

Regelmäßig ist Wickenrieder im Eisstadion präsent. Bei Auswärtsspielen der ersten Männermannschaft ist er indes nur noch selten dabei. 2001 erhielt er die Diagnose Kinderlähmung. Das Gehen wurde mit den Jahren schlechter, eine Zeitlang halfen Krücken. Jetzt sitzt er im Rollstuhl und hat mittlerweile Erfahrung darin, wie hürdenreich das Leben für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sein kann. Er lebt allein, in der Wohnung reicht ihm ein Rollator. Wickenrieder ist keiner, der sein Schicksal beklagt. Begegnet man ihm, wirkt er gut gelaunt und einem kleinen Plausch nicht abgeneigt. "Soll ich stattdessen die ganze Zeit so schauen?", fragt er, zieht dazu ein missmutiges Gesicht und gibt die Antwort gleich selbst: "Man muss eben das Beste draus machen."

Die Gemeinschaft im Verein, das Wissen darum, gebraucht zu werden, ist ihm wertvolle Unterstützung. Den Job als Handelsfachpacker kann er nicht mehr ausüben, er ist wegen der Krankheit berufsunfähig. Deshalb ist er "froh, dass ich hier so was machen kann". Im Verein wissen sie um seine Erfahrung.. "Der Wicki ist unabkömmlich", betont Josef Fuchs, Leiter der Abteilung Eishockey, der auch schon Vorsitzender des EVF war: "Er engagiert sich wahnsinnig und man kann sich immer auf ihn verlassen. Solche Leute brauchst du im Verein."

Mehr als ein Vierteljahrhundert des 61 Jahre alten EVF hat Wolfgang Wickenrieder aktiv mitgestaltet. "Reihenweise", sagt er und lacht, habe er Vereinsvorsitzende und aktive Eishockeyspieler kommen und gehen sehen. In 28 Jahren kommt was zusammen. Dabei konnte er auch beobachten, wie mit den Jahren auch die Söhne ehemaliger Eishockeyspieler zum Verein stießen. Die erste Männermannschaft des EVF spielt seit Jahren in der Landesliga, mehr ist nach oben kaum drin. Immer wieder versuchen sich Amateurvereine im Eishockey mit teuren Spielern aus dem Ausland sportliche Vorteile zu verschaffen. "Von finanzieller Seite können wir das gar nicht stemmen und wollen es auch gar nicht", betont Wickenrieder. "Wir wollen Spieler aus Fürstenfeldbruck." Die fangen häufig schon als ganz Kleine an mit dem Eishockeyspielen, etwa 150 Kinder und Jugendliche hat der Verein von der Altersklasse U 8 an. "Der Nachwuchs muss unser Aushängeschild bleiben", sagt Wickenrieder.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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