SZ im Dialog:Heimatort mit Wachstumsbeschwerden

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Viele der Gespräche drehen sich um die vom Verkehr verstopften Straßen, um Ruhestörung oder Schlaglöcher. Und doch wird deutlich, dass sich die meisten Einwohner insgesamt sehr wohl in ihrer Stadt fühlen

Von Julia Bergmann, Karl-Wilhelm Götte, Ekaterina Kel, Erich C. Setzwein

Die lebhafte Diskussion wird ganz klassisch mit Block und Stift dokumentiert, darüber hinaus aber auch live auf Facebook übertragen. (Foto: Johannes Simon)

Sieben Stunden lang haben Mitglieder der Fürstenfeldbrucker SZ am Donnerstag den Lesern zugehört. Und diese nutzten die Gelegenheit, um ihre Fragen und Anregungen zu Olchinger Belangen loszuwerden. Vor allem Verkehrsthemen wurden angesprochen. Aber auch die umstrittene Süd-West-Umfahrung, der geplante mittlere Wertstoffhof und nächtliche Ruhestörung am Grünanger beschäftigen die Olchinger. Den Anregungen der Leser wollen wir in der nächsten Zeit nachgehen. Die Mitarbeiter der Redaktion suchen Antworten auf die gestellten Fragen und Erklärungen für Sachverhalte, die die Leser umtreiben.

Verkehr auf der Blumenstraße

Carin und Rudi Sieber sind so verzweifelt wegen der Verkehrssituation vor ihrem Grundstück an der Blumenstraße, dass sie bereits mit dem Gedanken spielen, aus der Stadt wegzuziehen. Und das, obwohl Carin Siebers Familie schon seit vier Generationen in dem Haus wohnt. Denn seit der Erschließung des Schweigfelds hat die Verkehrsbelastung vor ihrem Grundstück enorm zugenommen. 33 Autos in fünf Minuten hat Carin Sieber kürzlich am Nachmittag gezählt. Aber nicht nur die vielen Autos sind das Problem, sondern auch, dass sich die Fahrer nicht an die Tempo-30-Zone halten. Das gefährde nicht nur die Nerven der Siebers, sondern auch die Schüler, die mit ihren Fahrrädern tagtäglich zur Mittelschule und zum Gymnasium fahren. Alle Bitten an Stadt und Polizei seien bisher gescheitert, klagen die Siebers.

Traumhafte Radeltouren

Es müssen nicht immer Probleme sein, die Bürger gerne gelöst sehen und die ein Zeitungsartikel deshalb aufgreifen soll. Es kann auch ein "Glücksfall" sein. Als einen solchen bezeichnet es Alois Spieldiener, dass er auf den ADFC gestoßen ist, als er vor drei Jahren aus Bad Reichenhall zu seiner Tochter gezogen ist und "niemanden und nichts" in Olching kannte. Das besondere Glück macht der 69-Jährige an der Person des Olchingers Bernd Burgmeier fest, der viele Touren zusammenstellt und den Spieldiener deshalb für ein Porträt vorschlägt. Grund: "Unglaublich, auf welche Wege der Mann kommt." Diese Touren haben den Neubürger nicht nur seinen neuen Heimatort kennenlernen lassen, sondern auch die Umgebung und die angrenzenden Landkreise. Das Besondere daran: Die Radlergruppe begegne dabei fast keinem Auto, so der Rentner, der diese Touren schlichtweg "traumhaft" nennt.

Ruhestörung am Grünanger

Fünf Jahre lang haben Franziska und Rudolf Pankofer nach einem neuen Zuhause gesucht. Im Schwaigfeld, dachten sie, haben sie es gefunden. Die Freude über ihren neuen Wohnort hielt allerdings nicht lange. Denn weil viele Jugendliche den Grünanger und den Schwaigfeldsee als Treffpunkt zum Feiern nutzen, haben die beiden kaum noch eine ruhige Nacht. Der Lärm, die laute Musik rauben ihnen den Schlaf. Die Polizei hat Rudolf Pankofer schon mehrmals gerufen. Mit dem Ergebnis, dass die Jugendlichen wieder laut waren, sobald die Beamten wieder gefahren waren. Nun wünschen sich die Pankofers Unterstützung von Seiten der Stadt.

Zweiter Wertstoffhof

Hannelore Littek beschäftigt die Frage nach einem zweiten Wertstoffhof in Olching. Der große Wertstoffhof reiche bei Weitem nicht mehr aus, findet sie. Dieser sei auf 20 000 Einwohner angelegt, in der Stadt leben aber mittlerweile fast 28 000 Menschen. Zwar hat die Stadt mittlerweile bereits über die Errichtung eines mittleren Wertstoffhofs im Schwaigfeld nachgedacht, allerdings regte sich massive Kritik an dem Vorhaben in der Bürgerschaft. Die Angst vor mehr Verkehr und einer größeren Lärmbelästigung im Schwaigfeld ist groß. Littek findet: Wenn der Standort tatsächlich ungeeignet ist, müsste die Stadt Alternativen präsentieren und das müsste schnell passieren, denn der große Wertstoffhof ist stets überfüllt und es herrscht Chaos.

Marode Straßen

Der Zustand vieler Nebenstraßen in der Stadt ist für Karin Scholl nicht hinnehmbar. Es gebe einfach zu viele Schlaglöcher oder Risse in der Asphaltdecke. "Auf dem Fahrrad muss man ständig ausweichen. Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, scheppert und kracht es", sagt sie. Die Stadt bessere einige der Stellen zwar aus, das reicht Karin Scholl aber nicht. Nicht mehr als "Flickarbeit" seien die Straßensanierungsarbeiten. "Im Winter bricht es dann wieder auf", sagt sie.

Überall Stau

Carsten Lindemann begibt sich früh morgens auf seinen Schleichweg. "Um sechs Uhr beginnt bereits der Stau auf der B 471", klagt der Olchinger, der seit zwölf Jahren im Schwaigfeld wohnt. Beruflich auf das Auto angewiesen, kommt er auf der Bundesstraße zur Autobahnauffahrt nicht weit. "Der Stau auf der B 471 reicht manchmal bis Emmering zurück." Der 51-jährige Vater dreier Buben betont, dass "Olching wunderschön zum Wohnen ist" und einer Familie inklusive Kindergärten und Schulen alles biete - mag er auch eine Realschule am Ort vermissen. Doch die Verkehrsproblematik falle "der Region um München jetzt auf die Füße", so Lindemann. Sein Schleichweg führt ihn notgedrungen jeden Morgen über die schmale Gröbenzeller und Allacher Straße in Graßlfing an der Gastwirtschaft Haderecker vorbei nach München. "Das machen aber auch andere", sagt Lindemann. "Für die Anwohner ist dieser Verkehr zu den Stoßzeiten eine Zumutung."

Der Traum vom Shared Space

Das Anliegen von Peter Wehrle vom Arbeitskreis Agenda 21 ist es seit vielen Jahren, der Stadt nahezubringen, dass die viel befahrene Hauptstraße zu einer "Gemeinschaftsstraße" (Shared Space) wird. Das bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmer, also Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer, auf einer ebenen Fläche gleich behandelt werden. Da alle gleichzeitig auf der Straße sind, werde aufeinander Rücksicht genommen, so die Erfahrung aus anderen Städten. "Die Absenkung der Bürgersteige dort könnte in einem ersten Schritt passieren", so Wehrle. Ein positives Signal ist es, dass sich laut Wehrle auch der Olchinger Gewerbeverband, der an der Einkaufsstraße eine gewichtige Stimme hat, mit der Idee einer Gemeinschaftsstraße anfreunden kann.

Toilette für alle

Behindertentoilette ist nicht gleich Behindertentoilette. Alfons Keim wirbt für die "Toilette für alle"; auch weil der Familienvater durch seinen 13-jährigen Sohn, der gelähmt im Rollstuhl sitzt, direkt betroffen ist. An einigen Orten in München gibt es eine Behindertentoilette mit einer Hubliege, die Behinderte Menschen benötigen, um beispielsweise Windeln zu wechseln. Keim hofft, dass bei der anstehenden Planung der öffentlichen Toilette am Nöscherplatz das alles verwirklicht wird, zumal es dafür einen Zuschuss des Freistaates von bis zu 12 000 Euro geben würde.

Nutzlose Umfahrung

Die Umfahrung im Südwesten von Olching werde nicht viel bringen, meint Doris Liedl-Doll. Sie erlebt jeden Tag in Esting, wie die Verkehrsflut zunimmt und welche Wege sich die Autofahrer suchen. Dreh- und Angelpunkt ist für die Krankenhausseelsorgerin, die am Klinikum Fürstenfeldbruck tätig ist, der Kreisverkehr der ehemaligen Hagn-Kreuzung. Den hält sie für nicht ausreichend dimensioniert, damit der Verkehr fließen kann. Die Konsequenz, die jetzt schon zu beobachten sei: Viele Autofahrer suchen sich ihren Schleichweg durch Esting zur B-471-Auffahrt in Geiselbullach, um ja nicht in Esting auf die Bundesstraße auffahren zu müssen. Denn dort stehe man morgens sofort im Rückstau der Auffahrt zur Autobahn A 8. Das Problem, meint Umfahrungsgegnerin Liedl-Doll, werde sich verschärfen, wenn die Straße an Olching entlang vorbei gebaut worden sei.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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