Streit eskaliert:Bruck bleibt hart

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Auf sie ist Bruck nicht gut zu sprechen: Landrat Karmasin (links) und Ex-Regierungspräsident Hillenbrand. (Foto: Stefan Salger)

Die Stadträte fühlen sich von der Regierung von Oberbayern erpresst und wollen der Umwandlung der Erstaufnahme am Fliegerhorst in eine Kurzzeiteinrichtung für Asylbewerber weiter nicht zustimmen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Der Konflikt zwischen der Kreisstadt und der Regierung von Oberbayern über die Umwandlung der Asyldependance am Fliegerhorst zu einer Kurzaufnahmeeinrichtung ist am Dienstag eskaliert. Nach acht Verhandlungsrunden steht der Stadtrat, der in seiner jüngsten Sitzung mehr als drei Stunden hitzig über das Thema debattierte, vor einem Scherbenhaufen. Verantwortlich gemacht wird dafür vor allem die Regierung. Zusagen würden nicht eingehalten, nach Gutsherrenart werde "diktiert" (Christian Stangl, Grüne), statt auf Augenhöhe zu verhandeln.

Viele Stadträte fühlen sich erpresst, Ulrich Schmetz (SPD) spricht von "einer Art von Nötigung". Ein Dorn im Auge ist vielen die mögliche Verlängerung der Betriebserlaubnis über fünf Jahre hinaus um weitere fünf Jahre. Zudem könne man in Ermangelung einer "Betriebsbeschreibung" nicht über etwas beschließen, über das man keine Details kenne.

Blockiert die Kreisstadt mittels Planungsrecht die erforderlichen Umbauten, könnte sie das freilich teuer zu stehen kommen. Darauf lassen kaum verhohlene Drohungen der übergeordneten Behörde schließen: Alternativ könnte die Zahl der Bewohner in der Einrichtung von derzeit etwa 1100 bis zur Kapazitätsgrenze von 1600 aufgestockt werden. Und die bestehende Asyl-Erstaufnahmestelle könnte über 2026 hinaus zu einer dauerhaften Einrichtung werden. Dies würde die zivile Umnutzung in diesem Bereich des Fliegerhorstes empfindlich stören, sollen auf dem heutigen Militärgelände doch Wohnungen für 4500 Einwohner sowie 3000 Arbeitsplätze entstehen.

Die meisten CSU-Stadträte stimmten ebenso wie Jens Streifeneder (BBV) und Zweiter Bürgermeister Erich Raff (CSU) trotz Bauchgrimmens dafür, der Regierung in Form eines "Ja, aber" entgegenzukommen und weitere Verhandlungen zu suchen. Denn der Münchner Verwaltungsrechtler Gerhard Spieß dämpft die Hoffnung, in einem Gerichtsverfahren die Schließung des angeblichen "Schwarzbaus" bis Ende 2020 durchsetzen zu können. Unterliegt Bruck, wäre eine begrenzte Nutzungsdauer ganz vom Tisch.

25 der 39 Stimmberechtigten, darunter Rolf Eissele und Simone Görgen (beide CSU), stimmten für den Änderungsantrag von Ulrich Schmetz und erteilten damit der Regierung eine Abfuhr. Bruck signalisiert zwar seine Bereitschaft, vorzugsweise direkt mit dem Freistaat zu verhandeln, weigert sich aber, von dem im Mai gefassten Stadtratsbeschluss abzurücken. Darin wird vor allem eine Obergrenze für die bestehende Einrichtung von 1000 Bewohnern und eine Befristung bis Ende 2020 gefordert. Die Regierung von Oberbayern wird erneut ermahnt, für die Nutzung der Gebäude die überfällige Baugenehmigung einzuholen.

Die Bezirksregierung pocht darauf, nach der Ende des Jahres anstehenden Schließung der Bayernkaserne in München Einrichtungen für Verwaltung sowie medizinische Erst-Checks nach Bruck zu verlegen. Weil eine bauliche Erweiterung gegen den Willen der Stadt nicht durchsetzbar ist, hatte sie bereits zugestimmt, zusätzliche Einrichtungen im bestehenden Gebäudekomplex unterzubringen und dafür die Zahl der Betten auf 1000 zu reduzieren. Bislang war von einer Verweildauer von drei bis sieben Tagen die Rede, aktuell kursiert auch ein Zeitlimit von drei Monaten. Berichte der Polizeiinspektion lassen eine Kurzaufnahmeeinrichtung als unproblematischer erscheinen als die vorhandene Erstaufnahmestelle. Denn Verweilzeiten von bis zu neun Monaten und Perspektivlosigkeit schüren Aggressionen, die innerhalb der Unterkunft oft in gewalttätige Auseinandersetzungen münden.

Integrationsreferent Willi Dräxler wiederholte gleichwohl seine Warnung vor einer solchen Kurzaufnahme. Durch hohe Fluktuation und eine nicht auszuschließende Ansteckungsgefahr stünde das bewährte System der ehrenamtlichen Asylhelfer zur Disposition. Vor allem aber lehnt Dräxler jegliche Form von Massenunterkünften ab. Überall würden zurzeit sogar die verträglicheren kleinen Gemeinschaftsunterkünfte geschlossen, nur Bruck werde von Landrat, Regierung und Ministerium über die Grenzen der Integrationsfähigkeit hinaus belastet. Bruck dürfe sich dieser "Willkür" nicht so einfach unterordnen, so auch das Credo im Gremium. Florian Weber (BBV) vermisst eine Würdigung der bisherigen Integrationsbemühungen. "So geht man nicht miteinander um", schimpfte Philipp Heimerl (SPD). Ex-Regierungspräsident Christoph Hillenbrand habe mündliche Zusagen zur Nutzungsdauer nicht eingehalten, der Landkreis mache sich auf Kosten Brucks einen schlanken Fuß. Um gegenzusteuern, setzt Klaus Wollenberg (FDP) auf eine stärkere Einbindung der Öffentlichkeit.

Den Rücken gestärkt bekommt die Stadt von der Inneren Mission. Dass die Umwandlung in eine Kurzaufnahme abgelehnt wird, lobt Vorsitzender Günther Bauer als "richtige Entscheidung des Stadtrats im Sinne der Flüchtlinge". Eine solche Einrichtung sei besser in der Landeshauptstadt mit ihrer bewährten sozialen Infrastruktur aufgehoben, etwa in der Nähe des Ankunftszentrums im Münchner Norden oder in der ehemaligen McGraw-Kaserne.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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