Stimmungsvolle Aktion:Schwimmende Lichter in der Nacht

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Fürstenfeldbrucker Kinder lassen ihre leuchtenden Häuschen auf der Amper flussabwärts treiben. Der Legende nach bietet die Heilige Luzia den Bürgern Schutz vor Hochwasser

Von Zoe Englmaier

Dunkel und geräuschlos fließt die Amper unter der Brücke hindurch. Die Oberfläche des Flusses spiegelt die beleuchteten Geschäfte wider. Viele Menschen warten gespannt an der Amperbrücke und beobachten die Dunkelheit stromaufwärts. Als die ersten schwimmenden Lichter erscheinen, jubeln Kinder und Eltern. Kleine Häuschen, Burgen, Tipis und große Villen, die von innen heraus leuchten, treiben träge auf die Menge zu. In der Kreisstadt wird das traditionelle Luzienhäuschen-Schwimmen am Gedenktag der Heiligen Luzia gefeiert.

Die Kerzen in den Luzienhäuschen erleuchten die nächtliche Amper. (Foto: Matthias Döring)

Dieses Jahr haben Grundschulkinder 286 Häuschen gebastelt. "Das ist ein Rekordergebnis", sagt Oberbürgermeister Erich Raff. "Man muss daran festhalten, denn das fördert die Gemeinschaft." Denn die Kinder basteln mit ihren Eltern oder Großeltern leidenschaftlich an den Miniaturgebäuden. Dieses Jahr haben sich 205 Schüler der dritten und vierten Klassen der Grundschulen an der Philipp-Weiß-Straße, Mitte und Nord beteiligt. "Viele bekommen den Brauch von ältern Geschwistern mit und finden ihn sehr schön. Einige basteln dann zu Hause die Häuschen", sagt der Oberbürgermeister. Der katholische Pfarrer Otto Gäng und sein evangelischer Kollege Valentin Wendebourg segnen die Luzienhäuschen, bevor sie zu Wasser gelassen werden. Die Kerzen werden mit der Flamme der Osterkerze entzündet. Das Luzienfest ist vor allem ein schwedischer Brauch. Vor der gregorianischen Kalenderreform fiel die Wintersonnenwende auf den Tag der Heiligen Luzia am 13. Dezember. In Fürstenfeldbruck schützt Luzia, die "Leuchtende", die Bürger vor Hochwasser.

Xaver hat ein Tipi samt Marterpfahl gebastelt, Johanna die Erlöserkirche nachgebaut. (Foto: oh)

Der siebenjährige Xaver Lichtinger geht in die zweite Klasse der Grundschule Mitte und hat ein Tipi gebastelt. Ein Buch über Indianer habe ihn dazu inspiriert. "Ich habe zwei bis drei Tage daran gearbeitet", erklärt er stolz. Die Wände des Tipis sind braun und haben auf jeder Seite je ein Fenster aus farbigem Transparentpapieren. Daneben steht ein bemalter Marterpfahl, in den Xaver Muster geschnitten hat. Seine Klassenkameradin Johanna Jaekel, 7, hat sich die Erlöserkirche zum Vorbild genommen. Auch sie hat die Fenster mit buntem Transparentpapier beklebt und das Dach mit roter Pappe gedeckt. "Ich habe Karton und Papier hergenommen", sagt sie. Sie hat eine Glocke in den Kirchenturm gehängt und eine gezeichnete Uhr aufgeklebt. "Ich habe sogar zwei Kerzen: im Schiff und im Turm", betont Johanna. Von Schuhschachtelgröße bis zu 50 Zentimeter hohen Häusern sei alles dabei, sagt Raff. "Für viele Kinder ist es eine große Überwindung, ihre Häuser in die Amper zu setzen. Da gibt es auch Tränen. Spätestens dann, wenn es ein Häuschen nicht schafft und untergeht", erklärt Sophie Trnka von der Stadt, die das Fest organisiert. Deshalb werden die Schulen gebeten, nur Naturmaterialien, wie Holz und Pappe, zu verwenden. "Eben alles, was sich zersetzt."

Bei einem Gottesdienst werden die kleinen Bauwerke wie auch die Kinder und Erwachsenen von den Pfarrern Otto Gäng und Valentin Wendebourg gesegnet. (Foto: Matthias Döring)

Es werden nicht nur jedes Jahr mehr Häuschen, die die Amper hinunter schwimmen, sondern auch der Brauch gewinnt an Bekanntheit. Raff verweist auf den in Sachsen-Anhalt lebenden Liedermacher und Schriftsteller Klaus W. Hoffmann. "Er war noch nie in Fürstenfeldbruck und hat trotzdem darüber ein Lied geschrieben." Das Lied heißt "Laternenschiffe" und wurde vor zwei Jahren an der Luzienfeier vorgespielt.

"Die Leute kommen schon frühzeitig, den Kindern macht es wahnsinnig Spaß. Das hat schon Flair", sagt Raff. Nächstes Jahr gibt es einen besonderen Grund zu feiern, denn das Luzienhäuschen-Schwimmen wird dann seit 70 Jahren zelebriert. Ursprünglich sei der Brauch im 18. Jahrhundert entstanden und habe sich dann wieder verlaufen. "Der Schuldirektor Kachelriss von der damaligen Knabenschule rief den Brauch 1949 wieder ins Leben", erklärt der Oberbürgermeister.

Johanna und Xaver glauben fest daran, dass die Heilige Luzia sie beschützen wird. Sie sind schon zum zweiten Mal beim Luzienfest dabei und Johanna findet, dass die Lichter auf der Amper am Schönsten daran sind. "Aber nur, wenn sie nicht untergegangen sind", ergänzt Xaver lachend.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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