Stichwahl in Bruck:Kräftemessen der Kandidaten

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Martin Runge will klare Kante zeigen bei Verhandlungen mit anderen Fliegerhorst-Anrainergemeinden, Erich Raff warnt vor einem Stillstand bei der Planung des Sportzentrums: Wohl zum letzten Mal vor der Brucker Oberbürgermeister-Stichwahl am 21. Mai stehen sich beide Politiker beim SZ-Interview gegenüber

Interview von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Sechs Kandidaten haben sich um das Amt des Brucker Oberbürgermeisters und damit um die Nachfolge von Klaus Pleil beworben. Nach dem Wahlgang am vergangenen Sonntag sind zwei Kandidaten übrig geblieben: Erich Raff (CSU) und Martin Runge (BBV/Grüne) gehen am 21. Mai in die Stichwahl. Beide haben noch eine Lücke in ihren sehr engen Terminkalendern gefunden und stellen sich im Sitzungssaal des Rathauses den Fragen der SZ. Die einstündige Debatte, die hier in Auszügen wiedergegeben wird, verläuft fair und sachlich. Dennoch offenbaren sich dabei mehr Meinungsunterschiede als im bisherigen Wahlkampf. Über Facebook konnten Zuschauer sich in die live übertragene Debatte einschalten.

SZ: Bei den drei Podiumsdiskussionen wurde das Thema Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung am Fliegerhorst nicht vertieft. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Erich Raff: 2015 waren dort um die 1100 Flüchtlinge untergebracht und die Kapazität wurde auf 1600 ausgebaut. Seit Herbst 2016 nimmt die Belegung ab. Seit Oktober haben wir im Schnitt 500 Flüchtlinge, momentan um die 300. In letzter Zeit gab es keine Zuteilung mehr.

Die Stadt muss aber die Kröte schlucken, dass die Erstaufnahme bis 2026 bleibt.

Raff: Die Bundeswehr ist bis Ende 2023 noch hier. Bis dahin könnten wir über das Areal sowieso nicht verfügen. Wenn die wirklich abzieht, dann reden wir noch mal darüber, ob wir die Einrichtung noch benötigen oder die Bewohner in anderen Unterkünften unterbringen können. Der Vertrag ist noch nicht unterzeichnet. Der muss im Stadtrat natürlich erst abgesegnet werden. Entweder wir sind einverstanden oder es bleibt beim Stadtratsbeschluss, der die Schließung bis 2021 fordert.

Martin Runge: Ich würde stark empfehlen, beim Stadtratsbeschluss zu bleiben. Es ist schon erstaunlich - die Staatsregierung hatte verkündet, die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge werde auf 400 bis 600 Leute begrenzt - alles passiere im Einvernehmen und in Absprache mit der Stadt. Wir finden es ja gut, dass Bayern und auch unser Landkreis viele Flüchtlinge aufnehmen. Aber Laufzeit und Belegungsdichte sollten in Absprache mit der Kommune festgelegt werden. Gut fand ich, dass der Stadtrat den Umbau in eine Kurzaufnahme abgelehnt hat. Der Stadtrat hat noch den Hebel über das Baurecht. Der erforderliche Bauantrag auf Nutzungsänderung ist meines Wissens nach noch nicht behandelt worden.

Raff: Der Nutzungsänderungsantrag lag der Stadt schon vor. Ich als amtierender Bürgermeister habe gesagt: Erst sollen Bima und Regierung von Oberbayern unterschreiben, dann erst wir. Es geht auch um Folgekosten. Wenn die Erstaufnahme aufgelöst wird, was ist dann mit Wasser und Kanal und so weiter? Da dürfen Bruck keine Kosten entstehen. Deshalb haben wir das erst mal wieder zurückgeschickt. Ich hoffe, dass es bis zum Stadtrat am 30. Mai vorliegt und beschlossen werden kann.

Ein runder Tisch, an dem die Meinungen auseinandergehen: Erich Raff (links) diskutiert mit Martin Runge (rechts). Moderiert wird das Gespräch von SZ-Redakteur Stefan Salger. (Foto: Günther Reger)

Runge: Bund und Länder wie Bayern machen sich da einen schlanken Fuß. Unterbringung und Integration werden den Kommunen überantwortet. Aber bei der Finanzierung macht sich der Staat eher einen schlanken Fuß.

Was ist mit der Willkommenskultur ?

Raff: Vor allem gibt es ein gutes Engagement der Ehrenamtlichen. Es sind zwei Klassen eingerichtet worden plus eine Berufsschulklasse. Die meist drei bis sechs Monate werden für Integration genutzt. Seitdem gibt es so gut wie keine Probleme. Runge: Kar, dass wir uns mehr Unterstützung Bayerns bei Asylsozialberatung oder Sprachkursen wünschen würden, aber es ist im Landkreis ganz gut am Laufen.

Ein Blick auf den Fliegerhorst. Was soll da passieren?

Runge: Dort sollen ja Wohnungen für bis zu 5000 Menschen und bis zu 4000 Arbeitsplätze geschaffen werden. In meinen Augen sehr hochgegriffene Zahlen. Fürstenfeldbruck muss hier die entsprechende Infrastruktur schaffen und man muss beispielsweise auch die Verkehrsbelastungen für die Nachbarkommunen im Auge haben. Das Maisacher Konzept tut der Stadt nicht gut, das BMW-Fahrsicherheitstraining ist ein Problem. Auf den 130 Hektar gibt es Aufpralltests, Bremsmanöver und so weiter. Wohnbebauung in direkter Nachbarschaft passt hier nicht. Emmering hat an der B 471 ein Gewerbegebiet geplant, wo der Regionalplan einen Grünzug vorsieht. Hier dann alles zuzubauen, Trenngrün und Frischluftschneisen zu zerstören, sollte sich verbieten. Die vorhandene Infrastruktur ist hervorragend: Zwei Sporthallen, eine Schwimmhalle, Sportplätze, Blaues Palais der Offiziersschule. Mit diesen Pfunden kann man wuchern.

Klingt nach klarer Kante Richtung Maisach und Emmering. Bringt das was?

Raff: Wir wissen um die Lärmbelastung. Mit Maisach und BMW werden wir uns zusammensetzen und klären, wie man sich arrangieren kann. Freilich, man muss klare Kante zeigen, aber auch schauen, wo für alle die beste Lösung ist. Wenn alle beharren, dann ist vieles verloren.

Sollte Bruck als Grundaufkäufer auftreten oder sich auf Investoren verlassen?

Raff: Wir werden auf alle Fälle Grund kaufen müssen, um etwas für den Wohnungsbau zu tun. Das geht nur als Grundeigentümer. Manchmal braucht man aber auch Investoren.

Runge: Die Stadt sollte möglichst viel kaufen, um bei der Entwicklung des Geländes über die Bauleitplanung hinaus stark steuern zu können.

Zum Sport die Frage von Andi W. Dietrich: Gibt es die Chance für eine Eishalle?

Raff: Laut einer Untersuchungen der Stadtwerke ist eine Überdachung der Eisfläche nicht möglich. Das Hallenbad würde leiden. Eine Eishalle daneben wäre möglich, Platz ist vorhanden, aber dann müsste man das Freiluftstadion aufgeben. Beides geht nicht. Das Kühlsystem ist an der Kapazitätsgrenze. Auch Gutachter raten ab vom Bau einer Eishalle an dieser Stelle. Aber im Fliegerhorst gibt es eine große Fläche zwischen neuer und alter Sporthalle, da wäre ein Verbund mit dem dortigen Hallenbad denkbar. Wenn das Sportzentrum III abgeschlossen ist, wollen wir uns intensiv um die Eishalle bemühen.

Runge: Die Eishalle ist eines der BBV-Leib-und-Magen-Themen. Ich habe mir schon mit Klaus Zieglmeier die möglichen Standorte angesehen. Ich denke, man muss sich auch den Standort an der Eisfläche noch mal ansehen. Der Fliegerhorst eignet sich wohl auch. Vielleicht werden die Sportanlagen im Fliegerhorst auch schon vor 2023 frei, weil die Offiziersschule früher umzieht. Planen sollte die Stadt schon jetzt.

Eine Frage von Herbert Thoma, dem Ex- TuS-Präsident en: Wann erhält der Sport die ihm angemessene Bedeutung?

Raff: Wir haben da schon viel auf den Weg gebracht. Auch über die Vereinssportler hinaus. Vor 14 Tagen wurde der Fitnessparcours eröffnet...

Runge: ... eine Idee von Herrn Thoma.

Raff: Nein, ich hatte die Idee schon 2007. Aus finanziellen Gründen ist das damals verschoben worden. Irgendjemand und auch der Herr Thoma haben das dann wieder ausgegraben. Wir wollten auch das Sportzentrum III angehen, so wie das auch Klaus Pleil wollte. Rund um die Uhr wäre dort die Halle nutzbar für Vereine. Warum das blockiert wird, obwohl die Vereine darauf seit eineinhalb Jahren hinarbeiten, das müssen Sie andere Leute fragen.

Herr Runge, Sind Sie der Blockierer?

Runge: Der Chef ist der Stadtrat. Der OB ist ein Mitglied, hat aber dafür zu sorgen, dass Beschlüsse umgesetzt werden. Der Stadtrat hat im September 2015 mit 36 zu null Stimmen beschlossen, es solle eine Alternative ohne Halle geprüft werden. Die fehlende Umsetzung dieses Beschlusses war der Auslöser dafür, dass nichts vorangegangen ist. Beide Alternativen müssen auf dem Tisch liegen. Mein ganz klares Votum auch als Sportler: Ich würde schauen, dass man eine Dreifachturnhalle hinbekommt, eine Zweifachturnhalle ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Man sollte aber mal zu Potte kommen. Grundsätzlich ist zum Beispiel Jugendarbeit im Sport klassische Sozialarbeit, deshalb sollten sich die Kommunen die Unterstützung des Sports auch was kosten lassen.

Raff: Eine Dreifachturnhalle würde problemlos aufs neue Schulareal gehen. Aber jetzt planen, noch bevor ich weiß, wie die Schule aussieht? Die wird frühestens 2022 fertig. Das hieße, der Sport muss wieder fünf Jahre warten. Wir hätten schon heuer mit dem Bau der Fußballplätze beginnen können. 2020 hätten wir das Sportzentrum fertig gehabt, mit Zweifachturnhalle.

Becci Leismüller fragt: Momentan fehlt Herrn Raff die Stadtratsmehrheit. Ist es realistisch, dass Sie Ihre Ziele und Schwerpunkte verwirklichen? Droht dann nicht der Stillstand in der Stadt?

Raff: Momentan ist es so, aber ich mache das jetzt gute 20 Monate. Und bis vor vier, fünf Monaten ist kein Projekt, das im Interesse der Stadt war, gescheitert. Momentan ist halt Wahlkampf. Wenn ich von der Bevölkerung gewählt werden sollte, wird man wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Wir liegen bei den Themen gar nicht so weit auseinander, wir wollen gemeinsam etwas entwickeln. Man muss einen Konsens finden.

Runge: Meines Erachtens lag das weniger am Wahlkampf als daran, dass Stadtratsbeschlüsse nicht umgesetzt wurden. Beispiel neben dem Sportzentrum war der Bebauungsplan für die Kita im Haeusler-Park.

Florian Weber, OB-Kandidat im ersten Wahlgang, fragt: Ich wäre nach drei Jahren zurückgetreten, damit Stadtrats- und Bürgermeisterwahl wieder zusammenfallen. Warum macht das keiner von Ihnen?

Runge: Die Frage nach dem nächsten Wahltermin habe ich mir bis dato noch nicht gestellt. Die Beantwortung hängt ja auch davon ab, wie es in der Stadtratsarbeit läuft.

Raff: Für mich war es kein Thema. Ich denke mir, es soll so viel auf den Weg gebracht werden, das schaffe ich bis 2020 nicht. Wenn ich was anpacke, will ich es auch zu Ende bringen. Ich wäre 2020 schon 67 Jahre alt und dürfte auch nicht mehr antreten.

SZ: Herr Runge, Sie haben sich oft mit Herrn Pleil in Ihrer Wahlbroschüre abgelichtet. Gibt es auch Sachen, die Sie anders machen würden?

Runge: Klaus Pleil hat viele Projekte angestoßen, die ich gerne fortführen will. Zum Beispiel die Neugestaltung des Viehmarktplatzes. Es war ja die BBV, die die Investorenplanung mit dem riesigen Gebäude über ein Bürgerbegehren zu Fall gebracht hat. Oder der Erwerb des Lichtspielhauses, um auch im Zentrum vor allem für junge Kultur etwas anzubieten.

Wie sehen Sie das mit dem Lichtspielhaus Herr Raff?

Raff: Früher war ich dagegen. Aber wir haben es jetzt. Und warum sollte ich etwas blockieren. Ich habe mich dahinter geklemmt. Ich bin keiner, der sich mit etwas nicht mehr befasst, nur weil er es früher nicht wollte. Ich glaube, es wird ganz gut funktionieren.

Andreas Ströhle fragt: Der Sitzungssaal wird in der nächsten Amtszeit neu gebaut. Eine Gelegenheit für die feste Installation von Live-Streams?

Runge: Warum nicht? Das kann man sicherlich machen. Öffentliche Sitzungen ins Netz, kein Problem. Dann bekommen auch mehr Leute mit, dass viele Stadträte mit ihrem Tablet oder Handy beschäftigt sind und nicht aufpassen.

Raff: Ich bin da zwiegespalten. Wer wirklich Interesse hat, sollte eigentlich in den Sitzungssaal kommen. Bei wichtigen Themen ist der Saal auch voll. Andererseits ist es vielleicht auch eine Möglichkeit, die Bevölkerung mehr an die Stadtpolitik heranführen. Vielleicht wird die Diskussionskultur dann auch in manchen Bereichen besser. Obwohl - ich bin zu 90 Prozent jetzt schon sehr zufrieden, und manche Streitigkeiten dürfen auch sein.

Jan Halbauer fragt: Wann bekommen wir einen besseren Takt auf der S 4?

Runge: Der Takt würde sich nach dem aktuellen Fahrplankonzept sogar verschlechtern, es gäbe zwar einen 15-Minuten-Grundtakt, diesen aber als Stolpertakt, zum Beispiel erst zwölf und dann 18 Minuten Abstand. Abends gäbe es nur noch einen 30-Minuten-Takt. Das sollte Bruck auf jeden Fall verhindern. Ganz wichtig: Alle Bürgermeister aus den Anliegergemeinden müssen sich zusammentun und aufbegehren. Die hohe Politik bewegt sich dann schon eher.

Raff: Herr Runge hat recht. Es darf keinen Nachteil beim Takt für die Stadt geben.

Es ist zwar kein originär Brucker Thema. Dennoch: Wie wichtig ist der Schlachthof, der in die Schlagzeilen geraten ist?

Raff: Eine regionale Vermarktung der Bauern und Metzger ist sehr gut. Ich würde mich freuen, wenn der Schlachthof wieder eröffnet wird. Mit den Gesellschaftern wird verhandelt. Ich wäre für eine Weiterführung, wenn alle Vorschriften beachtet werden.

Runge: Wir haben uns 1998 massiv für den örtlichen Schlachthof eingesetzt. Regionalität, kurze Wege - das ist auch gut fürs Tierwohl. Wir waren dann aber 1999 stinksauer, als der Fleischhygienebereich privatisiert worden ist. Die Aufsicht hat sich geändert, da ist einiges schief gegangen. Das war auch ein Versagen der Kontrollbehörden. Das gilt es zu optimieren. Wir fänden es schon gut, wenn es dann den Schlachthof wieder gäbe. Bauliche Mängel müssen aber in Ordnung gebracht werden und es dürfen keine so schrecklichen Dinge mehr passieren. Auch der Landkreis als stiller Gesellschafter hat es versäumt, im Kreistag von Beanstandungen zu berichten.

Wahlkampf und Podiumsdiskussionen waren sehr fair. Aber Hand aufs Herz, was würden Sie besser machen als der Herr Runge?

Raff: Nach dem heutigen Gespräch würde ich sagen: Ich würde das Sportzentrum besser und schneller umsetzen.

Runge: Das bestreite ich, weil Sie da die Stadtratsmehrheit brauchen. Der Wahlkampf lief viel über inhaltliche Punkte, über die der Stadtrat entscheiden muss. Beim Bürgermeister kommt's eher darauf an, wo er herkommt, was er mitbringt, wie sein Verständnis vom Amt ist. Vielleicht würde es mir gelingen, mehr auf den Stadtrat zu hören und Mehrheiten zu lenken, so dass wir beispielsweise auch schneller ein weiteres Sportzentrum haben.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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