Stadthalle:Die Ästhetik des Zerstörten

Lesezeit: 2 min

Uli Baabs Skulptur eines alternden Frauentorso zeigt plakativ, welche vermeintlichen und realen Makel die Zeit an einem Körper hinterlässt - und ist gleichzeitig die Anklage an eine Gesellschaft, die Menschen auf genau diese Dinge reduziert. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Germeringer Kunstkreis beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausstellung mit dem Thema "kaputt". Die entstandenen Werke beschäftigen sich mit aktuellen Themen genauso wie mit Alltäglichkeiten und der Vergänglichkeit

Von Florian J. Haamann, Germering

Es ist ein trauriger Anblick, der sofort Kindheitserinnerungen weckt: ein aufs Kopfsteinpflaster gefallenes Eis. Die Waffel gesplittert, die bunten Kugeln sind in ihrer Form noch erkennbar, beginnen aber schon zu zerfließen. Mit Farbstiften hat der Künstler Adi Schreiber diese Szene in seinem Bild "Die Freude war kurz" stilistisch beeindruckend und in leuchtenden Farben festgehalten - und trifft damit genau das Thema der aktuellen Ausstellung des Kunstkreises Germering im Foyer der Stadthalle. "Kaputt".

Der Kunstkreis schließt mit dieser Ausstellung an seine vergangene Ausstellung an, die sich mit "Spuren" beschäftigt hat. Ein Begriff, der den Ausgang noch offen lässt. Hinterlassene Spuren können Orientierung bieten, Erinnerungen, aber auch Beschädigungen, Schmerz und Zerstörung. Nun also geht es um Dinge, bei denen die Spur quasi zu Ende ist, die Zerstörung das Ergebnis. Und davon gibt es freilich einige, schaut man sich das aktuelle politische Geschehen an, die Entwicklungen der Gesellschaft, man könnte das Gefühl bekommen, noch nie war so viel kaputt wie heute.

Ziemlich plakativ nimmt sich Uli Baab mit zwei Skulpturen zweier Themen an. "Ich geh kaputt" zeigt eine Weltkugel aus Mosaiksteinchen. Die Oberfläche ist über und über mit Plastikmüll bedeckt. Neben der Skulptur steht eine Plastikwanne mit echter Erde, auch findet sich Müll, wie etwa eine zerbrochene Vase und eine Kippe. Die zweite Skulptur zeigt einen Frauentorso, leicht übergewichtig und unförmig - und voll geklebt mit negativen Begriffen. So steht auf der Schulter "Schulter kaputt", die Brüste ziert "Fallobst", über dem Intimbereich klebt der Begriff "Spinnweben". Zusammengehalten wird der Körper von Pflastern, ein Gesicht hat die Figur nicht, dafür eine pink und blond gesträhnte Perücke und blauglitzernde Fingernägel. So laut, wie die Begriffe den Betrachter in ihren großen, bunten Buchstaben quasi anschreien, schreit Baab mit beiden Skulptur heraus, wie bedrohlich kaputt die Welt als reales geologisches Gebilde ebenso wie die Gesellschaft ist.

Hoch aktuell ist auch Eva Kesslers Gemälde "Shipwreck". Allerdings ist das Schiff nicht so konkret dargestellt, wie der Name es vermuten lässt. Vielmehr setzt es sich aus groben Rechtecken relativ abstrakt zusammen. So abstrakt, wie für viele Menschen das Leid bleibt, dass sich momentan Tag für Tag auf so vielen Schiffen und Booten in sicherer Entfernung abspielt - und doch irgendwie klar erkennbar. Dazu passt eine Zeichnung von Irene Wührl-Petry. Sie zeigt ein verlassenes Boot, gestrandet, zerfallend. Welchem Zweck es einmal gedient hat, lässt die Zeichnung nicht erahnen. Umso größer wird der Interpretationsraum.

Aber auch sonst ist in der Ausstellung eine Menge Kaputtes zu sehen: Ein gestrandeter Wal, Schalter und Kabel aus dem Baumarkt, eine Tonskulptur, alte Zeitungen, verwelkte Blumen. Dabei arbeiten alle teilnehmenden Künstler ihren ganz eigenen Stil heraus - und die meisten davon sind wesentlich frischer und unkonventioneller, als man es von solchen Ausstellungen gewohnt ist. Auch damit knüpft der Kunstkreis an seine vergangene Ausstellung an. Und so zeigt diese Werkschau, dass auch kleine, lokale Künstlergruppen moderne und gleichzeitig relevante und aktuelle Werke präsentieren können.

Ausstellung "kaputt" des Kunstkreises Germering, zu sehen bis Sonntag, 15. Juli, jeweils dienstags bis samstags von 16 bis 20 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr im Foyer der Stadthalle Germering

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: