Sprachprojekt:Erst Kauderwelsch, dann Deutsch

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Die Kinder des Deutschkurses bereiten sich im Garten des Kreisjugendrings auf ihr Theaterstück vor. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bürgerstiftung für den Landkreis organisiert die gezielte Förderung von 23 Drittklässlern

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Deutsch klingt das nicht, was die Kinder im Saal des Kreisjugendrings in Gelbenholzen da in der Runde von sich geben. Eher eine Fantasiesprache, die sie einmal freudig singend, dann tief-traurig murmelnd von sich geben. Es geht an diesem Donnerstagmorgen auch nicht in erster Linie um Deutsch, das die 23 Schüler der dritten Jahrgangsstufe lernen sollen, sondern darum, wie Emotionen ausgedrückt werden können. Und dafür brauchen sie erst mal kein Deutsch.

Fünf Tage sind die Kinder beisammen und dürfen ihre Deutschkenntnisse verbessern. In den Pfingstferien ist es eine Woche, in den Sommerferien werden es weitere zwei Wochen sein. Zusammen unter einem Dach mit sechs Betreuern werden sie das nachholen, was sie bislang nicht lernen konnten, sollen Neues lernen, um Schritt zu halten im Unterricht, und nebenbei sollen auch ihr Selbstbewusstsein gefestigt und ihre soziale Kompetenz gefördert werden. 25 000 Euro lässt sich das die Bürgerstiftung als Veranstalter der Weiterbildung für insgesamt drei Wochen kosten. Geld, das Stiftungsvorsitzende Dorothee von Bary aber gut angelegt weiß. Alle Kinder, die sich bei einem Test in der Schule für den Deutschkurs qualifizieren mussten, haben ihrer Meinung nach das Potenzial, mit den verbesserten Deutschkenntnissen in der Schule weiterzukommen und die so wichtige vierte Klasse und damit die weitere Schulkarriere zu schaffen.

Das Kauderwelsch, das die Acht- bis Zehnjährigen und eine 13-Jährige in der Runde sprechen, dient der Vorbereitung für ein Theaterstück. Es soll am Ende der drei Bildungswochen aufgeführt werden. Da geht es zunächst einmal nicht ums Lernen von Textzeilen, sondern darum, Emotionen ausdrücken zu können, sie zu spielen. In der Runde ist das leicht, doch Emotionen zeigen sich auch während der Tage in Gelbenholzen, wenn die Kinder merken, dass sie die Tage in dieser Gemeinschaft verbringen und eben nicht im gewohnten Familienumfeld. Da fallen schon mal böse Worte, über die die Betreuer dann mit den Kontrahenten reden. Ganz einfach aus Heimweh haben zwei Kinder das Projekt verlassen. Auch die Nächte waren nicht emotionslos, wie die ehemalige Emmeringer Grundschullehrerin Christel Benzinger berichtet. Bei lautem Gewitterdonner seien Kinder, die den Bürgerkrieg in Syrien erlebt hatten, sehr unruhig geworden.

Neben Syrern sind Kinder dabei, die Deutsch als Muttersprache haben, die Rumänisch, Türkisch, Arabisch, Afghanisch oder Ghanaisch reden. Dorothee von Bary, selbst Lehrerin und in der mobilen sonderpädagogischen Hilfe tätig, hat gemerkt, dass im Schulalltag "viele Kinder hinten runter fallen". Diese Kinder zu fördern, sei in der Schule unmöglich, sagt Benzinger, weil das Personal fehle. Projekte wie das der Bürgerstiftung sollen dazu beitragen, dass die Drittklässler weiterkommen. Vorbild für die dreiwöchige Ferienveranstaltung ist laut von Bary ein Projekt der polytechnischen Stiftung in Frankfurt, deren Konzept seit November vergangenen Jahres im Landkreis ausprobiert wird. Benzinger bedauert, dass die eigentlich zur Verfügung stehenden 40 Plätze nicht besetzt worden sind und vermutet, dass sich manche Lehrer an den Grundschulen nicht näher damit befasst haben könnten. Aus ihrer Erfahrung weiß die Pädagogin, dass selbst die 40 Plätze nicht reichen würden, um den Kindern mit Schwächen in Deutsch zu helfen. "Wir machen hier das, was eigentlich an den Schulen gemacht werden müsste", sagt dazu Dorothee von Bary.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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