Sportclub:Kurz vor Schluss

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Dem SC Fürstenfeldbruck steht das Wasser bis zum Hals. Doch intern wird munter weitergestritten. Sogar im vorläufigen Insolvenzverfahren waltet mancher Funktionär dort nach seinen eigenen Regeln

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

"Es war eine schöne Zeit in Bruck. Viel Glück", schreibt Daniel Weber, Anfang der 2000er-Jahre Torwart beim SC Fürstenfeldbruck und seit einigen Jahren Trainer beim VfR Garching. 25 Euro hat er seinem ehemaligen Verein gespendet, das kann man einsehen auf der Internetseite "Rettet den SCF". Auch der FC Emmering hat sich beteiligt, "damit es auch künftig interessante Lokalderbys gibt", sowie die Crossmintonspieler der Fürsty Speeders: "Wir Brucker Vereine müssen zusammenhalten." Der Stadtteilklub FC Aich war der erste Verein gewesen, der Geld gab. Bis Freitag brachten 51 Spender über die kurzfristig hochgeladene Internetseite 3710 Euro ein. 100 000 Euro aber braucht der Verein, um der Insolvenz noch zu entgehen und einen Vergleich mit seinen Gläubigern zu ermöglichen. Am Montag muss die Summe endgültig vorliegen.

Mehrere Fristen sind bereits verstrichen. Die Lage ist nicht nur finanziell verzwickt. Verschiedene Grüppchen bemühen sich um eine Rettung, jede für sich, denn miteinander können sie nicht. Eine Allianz aus Altvorderen hatte Geld angeboten, möchte allerdings gleichzeitig den amtierenden Vereinspräsidenten Jakob Ettner los werden. Der ist seinerseits mit der Spendenakquise beschäftigt. Ettner sagt, er habe Zusagen mehrerer Sponsoren über jeweils fünfstellige Summen. Aber auch da gibt es eine Bedingung, die Ettner so formuliert: "Dass der Sumpf der Alten Liga endlich trocken gelegt wird". In anderen Worten: Das Geld an den SCF fließt nur, wenn Ettner Präsident bleibt.

Wer den Verein künftig führt, müssen Neuwahlen ergeben, die turnusmäßig anstehen. Weil Ettner bislang noch keinen Termin für eine Jahreshauptversammlung nannte, sammelte Ehrenpräsident Albrecht Huber nun Unterschriften, um mithilfe eines Fünftels der erwachsenen Mitglieder eine solche zu erzwingen. Dazu sind 40 Unterschriften nötig. Eine Liste wurde eingereicht, 36 Unterschriften stehen drauf.

Nun wurden weitere Details aus dem Innenleben des Vereins bekannt, die kein gutes Licht werfen auf dessen finanzielle Umgangsformen. Mitten im vorläufigen Insolvenzverfahren, in dem sich der SCF seit Insolvenzantragstellung Ende September befindet, setzte sich Gerhard Knöchel, Leiter der Altherrenfußballer, über Vorgaben des Insolvenzrechts hinweg und verzichtete in der von ihm geführten Abteilung bisweilen auch darauf, für finanzielle Transaktionen Nachweise zu erbringen.

Der ehemalige Beamte des Landeskriminalamtes verfügte, ohne Rücksprache mit der aktuellen Vereinsführung und ohne Zustimmung des zuständigen vorläufigen Insolvenzverwalters, über Gelder des Vereins auf einem Konto der Alten Liga. Damit hat er möglicherweise Fremdgelder zweckwidrig verwendet. Denn der SCF darf, seit er den Insolvenzantrag gestellt hat, gemäß den Vorgaben der Insolvenzordnung finanzielle Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erteilen.

Die SCF-Historie ist damit um ein weiteres Kapitel reicher. Schon zuvor waren finanzielle Ungereimtheiten aus der Vergangenheit aufgetaucht, die dem Verein möglicherweise in Bälde das Genick brechen könnten. Das Finanzamt Fürstenfeldbruck hatte bei einer Betriebsprüfung Veranstaltungen des Vereins entdeckt - darunter den von der Seniorenabteilung Alte Liga betreuten SCF-Stand auf dem Brucker Altstadtfest - , die Steuernachzahlungen in Höhe von 220 000 Euro nach sich zogen. Auch die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2010 bis 2013 war weg. Der Sportclub musste Insolvenz beantragen, weil er das Geld nicht aufbringen konnte.

Nur wenige Tage, bevor der Verein im vorigen September den Insolvenzantrag stellte, ließ Knöchel noch einen Vereinsausflug der Altherrenfußballer mit dem Bus nach Südtirol über 1800 Euro vom Verein bezahlen. Das könnte man mindestens moralisch unanständig nennen. Die Bezahlung der Weihnachtsfeier der Alten Liga Ende Dezember erfolgte ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Damit ist sie unwirksam. Darauf wurde der Alte-Liga-Leiter vom Insolvenzexperten hingewiesen. Auch eine Barabhebung über 6000 Euro konnte nicht zur Gänze zugeordnet werden. Die Alte Liga habe, weil zuvor schon das Abteilungskonto gepfändet worden war, beschlossen, Geld abzuheben, "um handlungsfähig zu bleiben", erläutert Knöchel auf Anfrage der SZ. Dem Verein legte der 76-jährige Funktionär eine Auflistung unter anderem über Fahrspesen in Höhe von etwa 3000 Euro an die Seniorenfußballer vor, Nachweise für deren Auszahlung gab es nicht. Später teilte er dem Verein mit, es seien keine Fahrspesen bezahlt worden. Das sagte er auch der SZ. Er habe vorgehabt, den Fußballern der Alten Liga 35 oder 40 Euro zu bezahlen als Anerkennung für ihren Aufwand und "damit unser Geld nicht ganz weg ist". Die Spieler hätten es aber nicht angenommen. Für den einzelnen wäre das ohnehin nicht viel gewesen, "gerade mal eine Halbe Bier im Monat".

"Der SCF hat sich für mich erledigt", sagt Gerhard Knöchel. (Foto: Johannes Simon)

Inzwischen wurde das Geld an den Hauptverein weitergeleitet.

Beim im Januar erfolgten Einzug der Mitgliedsbeiträge verzichtete die Alte Liga darauf, den Zusatzbeitrag abbuchen zu lassen. Der ist zuvorderst dazu gedacht, den Spielbetrieb zu finanzieren, weil die Mitgliedsbeiträge laut Knöchel komplett an den Hauptverein abgeführt werden. Früher habe man das Geld nach jedem Spiel eingesammelt, das werde man nun auch wieder so machen, kündigte er an.

Knöchel gibt sich gerne forsch. Mit seiner Meinung hält er nicht hinter dem Berg, sondern vertritt sie mit großem Selbstbewusstsein auch nach außen. Wenn er seinen Bericht abhält bei einer Mitgliederversammlung, versucht er sich an größtmöglichem Unterhaltungswert. Betont, wie gut die Kicker der Alten Liga wieder einmal den Ball hätten laufen lassen auf dem Spielfeld und wie schön der Abteilungsausflug gewesen sei. Vor zwei Jahren moderierte er die Versammlung, weil sich Präsident Jakob Ettner nicht dazu in der Lage sah. Wenn er es für opportun hält, bleibt Knöchel mit den Seinen der Versammlung aber auch fern - wie im Vorjahr, als er gleichzeitig ein Fußballspiel seiner Alten Liga anberaumte.

Knöchel gehört seit mehr als vierzig Jahren zum Vereinsestablishment. Als jugendlicher Fußballer stieß er zum SCF. Seine Funktionärstätigkeit begann er 1973 als stellvertretender Abteilungsleiter, später übernahm er zahlreiche Ämter, war mehrmals Geschäftsführer des Vereins, leitete die Herrenfußballabteilung und später bis zum jetzigen Zeitpunkt die Alte Liga. Bisweilen schroff kann er werden, wenn man ihn nicht gewähren lässt. Wer das Hauptspielfeld im Sportzentrum an der Klosterstraße betreten durfte, das entschied lange Zeit Knöchel allein. Die ehemaligen Vereinsfunktionäre Lutzeier und Demmer hatten den SCF vor gut zehn Jahren als "nicht modernisierbar" und als "vor dreißig Jahren stehen geblieben" bezeichnet und dabei vor allem die Person Gerhard Knöchel gemeint. Später wurde Knöchel zum Ehrenmitglied ernannt.

In Knöchels Alter Liga bildete sich nun eine Opposition gegen den seit vier Jahren amtierenden Vereinschef Jakob Ettner, im Hintergrund angeschoben vom Ehrenpräsidenten Albrecht Huber und dem ehemaligen Ehrenpräsidenten Hans Hahn. Er halte sich da raus, sagt Knöchel. Er selbst wolle nicht Präsident werden, das habe er nie gewollt. Der Fortbestand des Vereins freilich liegt ihm am Herzen. Es täte ihm weh, sagt er, wenn der Verein pleite ginge.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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