SPD und Co.:Interesse an Politik nimmt wieder zu

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Die Entwicklungen auf Bundesebene im vergangenen halben Jahr haben den Parteien auch im Landkreis einen ungewohnt großen Zulauf beschert. Über die meisten Neumitglieder kann sich die SPD freuen

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

60 neue Mitglieder hat die SPD im Landkreis im vorigen Jahr verzeichnen können, und in den ersten Monaten des Jahrs 2018 sind es sogar schon 70. Das teilt Svenja Bille vom Kreisvorstand der Partei mit. "Wir freuen uns natürlich darüber, dass wir in den letzten Monaten so viele Mitglieder gewinnen konnten", sagt sie. Andererseits sind zwischen 1. Januar 2018 und Mitte Februar auch 22 Mitglieder ausgetreten, darunter langjährige, wie der Fürstenfeldbrucker Axel Lämmle, früherer Stadt- und Kreisrat der SPD und zweimaliger Oberbürgermeisterkandidat, der nach 30 Jahren im März sein Parteibuch zurückgegeben hat - aus Unmut über die erneute große Koalition. 750 Mitglieder habe der SPD-Kreisverband nun insgesamt, sagt Bille. Der Zuwachs sei nicht nur dem Hype um Martin Schulz geschuldet. Vielmehr seien auch im Zuge der Diskussion um die große Koalition viele Neumitglieder zur Partei gestoßen.

Offenbar gibt es im Landkreis insgesamt wieder ein steigendes Interesse an Politik und bei vielen Menschen den Wunsch, selbst mitzumachen. Denn auch die anderen Parteien verzeichnen Zuwächse. Bei der CSU waren es dem Kreisvorsitzenden Thomas Karmasin zufolge von 1. Januar 2017 bis 20. März dieses Jahres insgesamt 78 Neuzugänge. Auf die Gesamtmitgliederzahl im Kreis bezogen sind das allerdings deutlich weniger als bei der SPD. Denn die CSU habe immer etwa 1800 Mitglieder, teilt Karmasin mit.

Ein CSU-Mitglied ist zur FDP gewechselt. Die Zahl der Freidemokraten im Kreisverband ist insgesamt gestiegen: von knapp 90 Mitgliedern Anfang 2017 auf 114 Ende März 2018, das ist ein Plus von etwa 25 Mitgliedern. Zehn bis 15 seien Junge Liberale bis 34 Jahre, sagt Kreisvorsitzender Hendrik Grallert. Der größte Teil sei rund um die Bundestagswahl eingetreten. Nachdem die FDP die Verhandlungen zur Jamaika-Koalition platzen ließ, habe man in Fürstenfeldbruck kein Mitglied verloren, aber doch einige gewonnen. "Bei vielen ist der Beweggrund, dass sie keine große Koalition mehr wollten", weiß Grallert aus Gesprächen. Die CDU sei ihnen zu weit nach links gerückt, die CSU werde nicht als anders wahrgenommen. Gerade die Politik von Angela Merkel in der Flüchtlingskrise habe einigen nicht gefallen, die aber nicht zur AfD wechseln wollten. Die FDP, die im Landkreis eine eher linksliberale Tradition habe, lehne die meisten AfD-Positionen ab. "Wir verstehen uns als Opposition, stehen aber fest auf dem Boden des Grundgesetzes", sagt Grallert. "Wir sind keine System-Opposition."

"Unverhältnismäßig viele" seien auch den Grünen beigetreten, berichtet Kreissprecherin Elke Struzena: 20 im vorigen Jahr, ebenso viele allein in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres. 240 Leute gehören nun im Landkreis den Grünen an. Eingetreten seien hauptsächlich Jüngere, sagt Struzena. Den Neumitgliedern gehe es in erster Linie um Natur- und vor allem Klimaschutz, doch auch das Erstarken der Rechtspopulisten von der AfD habe viele bewogen, sich bei den Grünen zu engagieren. Auch die junge Kandidatin für den Bezirkstag, Gina Merkl, ziehe viele mit.

Viele jüngere Neumitglieder meldet auch Ernestine Martin-Köppl von der Linken. Elf Neueintritte verzeichnet der Kreisverband, der auch den Landkreis Dachau umfasst, seit März 2017. Prominentester Zugang: Axel Lämmle, früher bei der SPD. Die Mitgliederzahl der Linken ist durch die Eintritte auf 41 gestiegen. "Die melden sich selber bei uns und fragen, wie sie sich einbringen können", berichtet Martin-Köppl. "Das ist eine große Freude." Den meisten gehe es um die soziale Gerechtigkeit, und sie wollten das "Weiter so" der großen Koalition nicht hinnehmen.

Karmasin erklärt, durch den landespolitischen Generationenwechsel herrsche derzeit Aufbruchstimmung. Doch auch insgesamt tue sich etwas: "Ich nehme allgemein wieder ein etwas steigendes Interesse am Politikbetrieb wahr." Die weitaus meisten Neumitglieder bei den Christsozialen sind zwischen 36 und 63 Jahre alt, 22 sind jünger. Wer zur CSU gehe, wolle "das politische Geschehen insgesamt ein Stück weit mitgestalten", in Bund, Land und Kommunen, aber auch in den verschiedenen Politikfeldern, ist Karmasin überzeugt.

Die Neumitglieder der SPD wollten die Partei in schweren Zeiten unterstützen, sagt Svenja Bille. Viele hätten sich schon länger mit dem Gedanken des Beitritts getragen. "Die klare Haltung gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ist zudem ein häufiger Grund für den Eintritt in die SPD", erklärt Bille weiter. Nicht zuletzt wollten viele sich in die Kommunalpolitik einmischen und die Gesellschaft in ihren Gemeinden gestalten. Bei der FDP gebe es einen "Lindner-Effekt", der die Partei wieder attraktiver gemacht habe, sagt Grallert. Auch er nimmt wahr, dass sich die Leute wieder mehr einbringen wollen.

In allen Parteien können die Neuen gleich mitmachen. Sei es bei Stammtischen, in den Jugendorganisationen, bei Veranstaltungen oder im Landtagswahlkampf. Zu den Landesfachausschüssen und den Bezirksforen der FDP könne jeder kommen hinkommen und mitreden, sagt Grallert. Auch bei der SPD freut man sich, "durch unsere Neumitglieder immer wieder andere Einschätzungen und Ansätze zu bekommen", so Bille.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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