Skilager:Lernen im Schnee

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Sport treiben, an der frischen Luft sein: Unter diesem Aspekt ist Skilaufen eine ideale Sportart für Schüler. (Foto: Johannes Simon)

Das Skilager gehört an den meisten Gymnasien und Realschulen zum Programm. Seine Befürworter sagen, viele Kinder hätten sonst kaum die Möglichkeit, alpines Skilaufen auszuprobieren

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Sonnenschein, Pulverschnee, Temperaturen ein kleines bisschen unter Null: So sehen die Traumbedingungen für Skifahrer aus. Skifahren bedeutet heute aber auch: immer neue Pisten, künstliche Beschneiung, Naturzerstörung. Ist die Sportart überhaupt noch zeitgemäß? Und sollte sie an den Schulen unterrichtet werden? Deutschlandweit fuhren in den vergangenen Jahren immer weniger Schulklassen in ein Skilager. Im Landkreis bleibt die Skiwoche zwischen Januar und März bei den weiterführenden Schulen jedoch beliebt, acht von elf Gymnasien und Realschulen halten daran fest. Die übrigen drei halten stattdessen eine Sommersportwoche ab.

Die Befürworter des Skilagers sind eindeutig in der Mehrheit. "Skifahren ist eine wunderbare Sportart im Winter und außerdem olympische Disziplin", sagt Walter Zellmeier, Leiter des Viscardi-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck. Er verweist, wie auch Marc Andree, Sportlehrer an der Realschule Puchheim, darauf, dass Schulskifahrten eigens im Lehrplan vorgesehen seien. Das Skilager sei außerdem jene Klassenfahrt, "die auch den Erwachsenen noch im Gedächtnis ist", ergänzt Susanne Holleitner, die Fachbetreuerin Sport am Germeringer Max-Born-Gymnasium ist.

Schon bei der Einführung des achtstufigen Gymnasiums vor zwölf Jahren war die Diskussion aufgekommen, ob die Skilager fortan nicht gestrichen werden müssten - wegen des straffen Stundenplans der um ein Jahr verkürzten Schulzeit. Heute werden häufiger ökologische, aber auch finanzielle Gründe gegen das alpine Skifahren angeführt. Er sei nicht dafür, dass abgeholzt werde, um zusätzliche Skipisten anzulegen, oder dass künstlich beschneit werde, sagt Viscardi-Direktor Zellmeier. Aber er ist ein Verfechter des Skisports, "dort, wo es möglich ist", wie er sagt. Die Klassen würden bei ihren Reisen auch den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur lernen. Auch am Gymnasium Puchheim sind Schulskikurse "ein fester und traditioneller pädagogischer Bestandteil", heißt es auf der Internetseite. Ziel sei dabei auch, Gemeinschaftsgefühl, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme zu fördern, das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern zu verbessern und für Gemeinschaftserlebnisse zu sorgen.

An der Realschule Unterpfaffenhofen wurde das Skilager vor sechs Jahren wieder eingeführt, an anderen Schulen stand es nie in Frage. An der Ferdinand-von-Miller-Realschule Fürstenfeldbruck gibt es in der siebten Klasse eine Wintersportwoche. "Früher hat man Skilager gesagt", erklärt Schulleiter Peter Frohberg. Heute gehören neben alpinem Skilauf und Snowboarden auch Langlauf oder Schlittschuhlaufen dazu. In der fünften Klasse findet ein "Easy-Skiing"-Skitag statt, in der sechsten Klasse - als Vorbereitung auf die Wintersportwoche - ein Wintersporttag. Auch das Gymnasium Puchheim hat sein Sportartenspektrum auf Wunsch der Schüler erweitert: So gibt es direkt vor der Unterkunft in Werfenweng im Salzburger Land eine Loipe und dahinter eine Snowtubing-Bahn, die das Rutschen auf luftgefüllten Reifen ermöglicht.

Die echten Skifans unter den Schülern finden in Germering die besten Bedingungen vor, beide Gymnasien fahren gleich zweimal ins Skilager - das ist einzigartig im Landkreis. Am Max-Born-Gymnasium (MBG) verreisen die Klassen sechs und sieben, am Carl-Spitzweg-Gymnasium - dort hat auch Weltcupfahrerin Lena Dürr Abitur gemacht, die von Montag an bei der alpinen Ski-WM in Sankt Moritz antritt - sind es die sechsten und siebten Klassen. Und das, obwohl der langjährige CSG-Schulleiter Georg Gebhard eigenen Aussagen zufolge ein "nicht ganz so begeisterter Skiurlaubsanhänger" ist und "mehr von Studienfahrten" hält. Aber das Lehrerkollegium, sagt Gebhard, habe sich "mit großer Mehrheit" fürs Skilager ausgesprochen.

Das hat auch immer damit zu tun, wie wintersportaffin die Lehrer an der jeweiligen Schule sind. Auch am Gymnasium Olching sei die Debatte um das Skilager "mal kurz aufgekommen", erinnert sich Sportlehrer Markus Riedle. Das Sportkollegium aber habe sich "hinter das Skilager gestellt". Und: "Es kommt auch bei den Schülern nach wie vor gut an." Viele von ihnen lernten dabei eine neue Sportart kennen. Wenn man sich im folgenden Schuljahr dann mit ihnen unterhalte, stelle sich heraus, dass einige tatsächlich "bei der Sportart hängen geblieben sind und privat weiterfahren", erzählt Riedle. Dadurch, dass man am MBG gleich in zwei aufeinander folgenden Schuljahren ins Skilager fahre, sei der Grundstein gelegt, "dass die Kinder dann auch Skifahren können", sagt Susanne Holleitner. Auch die Anfänger.

Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. "Weit über die Hälfte" zählt der Puchheimer Sportlehrer Marc Andree zur Kategorie Anfänger. Auch seien die Schüler körperlich schwächer als früher. Das fällt zwar auch im normalen Sportunterricht auf, dort aber könne man die Belastung besser steuern. Eine Woche Skilager hingegen sei "eine große Herausforderung". Jene Schüler ohne Erfahrung auf Skiern machen dann einen Anfängerkurs. Mit dem Snowboard den Hang hinunterzufahren, erlaubt die Realschule Puchheim nur den Geübten. Die Zahl der Snowboarder ist zuletzt wieder zurückgegangen. Andree berichtet von drei Klassen, die zusammen fuhren und nur zwei Snowboarder dabei gehabt hätten. An der Realschule Unterpfaffenhofen sind es deutlich mehr. Sportlehrer Matthias Lex erzählt, dass jetzt, als die ersten drei von sechs siebten Klassen im Skilager waren, 24 Snowboarder darunter waren. Allerdings sind auch Lehrer dabei, die des Snowboardens mächtig sind.

Dass es immer mehr jugendliche Anfänger auf Skiern gibt, bedeutet auch, dass immer weniger Kinder das Skifahren in der Familie erlernen - vielleicht auch, weil Skiurlaub immer teurer geworden ist. Die Schulen versuchen, die Kosten möglichst gering zu halten, sie sind in der Regel Stammgäste in den gebuchten Quartieren. Über die Fördervereine der Schulen ist finanzielle Unterstützung möglich.

Maximal 300 Euro kostet Holleitner zufolge ein Skilager für MBG-Schüler nach Maria Alm. Die Puchheimer Realschüler müssen für die Fahrt von Sonntag bis Freitag nach Sankt Johann 240 Euro bezahlen. Ski gefahren wird von Montag bis Donnerstag. An der Realschule Unterpfaffenhofen kostet das Skilager von Montag bis Freitag in Bad Hindelang/Oberjoch im Allgäu 210 Euro. Sportlehrer Lex schwört auf das "familiäre Skigebiet", das man auch deshalb ausgewählt habe, weil sich die Kosten in Grenzen halten. Enthalten ist der Skipass von Montagnachmittag bis Freitagvormittag.

Viele Kinder, gerade die Anfänger, kommen ohne eigene Ausrüstung. Sie wird ausgeliehen, 35 Euro koste das pro Person und Woche, sagt Lex. Skilänge, Skischuhgröße, all das werde zuvor abgefragt, das Material stehe dann bei Ankunft am Skiort bereit. Ein Skihelm ist heutzutage in den Skilagern Pflicht, Lawinenausrüstung allerdings müssen die Schüler nicht dabei haben. "Wir fahren nicht woanders rein", sagt Lex. Die Klassen nehmen aber an einem einstündigen, kostenlosen Seminar des Deutschen Alpenvereins teil, das sich mit Risiken beim Skifahren befasst.

Die Fahrten sind auch für die Schulen organisatorisch eine Herausforderung. Am Max-Born-Gymnasium fahren jeweils drei Klassen gemeinsam, mit neun Lehrern. Die fehlen natürlich im Unterricht. Andererseits seien die Skilager auch für die Sportlehrer zusätzlicher Aufwand, sagt Holleitner. Aber so ein Skilager fördere das "bewusste Erleben der winterlichen Bergwelt mit Sonne und herrlicher Sicht", schreibt sie in einem Infobrief. Für die Schüler stehen andere Aspekte im Vordergrund, auch das weiß sie: schulfreie Woche, keine Eltern, Abende mit Freunden, Partys feiern, länger aufbleiben.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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