Serie O du Fröhliche! Folge 12:Die Essiggurken am Christbaum

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Für Bettina Lampart-Heinemann beginnt die Vorweihnachtszeit schon im Sommer, wenn sie sich auf ihre winterliche Führung durch Fürstenfeldbruck vorbereitet. Die Besucher lernen auf der Tour teils skurril anmutende Bräuche kennen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Wenn andere am Strand liegen und die Sonne genießen, dann fängt für Bettina Lampart-Heinemann die Vorweihnachtszeit an. Gar nicht so leicht, sich im Spätsommer erstmals Gedanken zu machen, wie man einen Rundgang bei minus drei Grad gestaltet - hinter welches Schaufenster man den Christbaum mit den drei Essiggurken platziert, wie viel Lebkuchen man für die Verkostung zwischen der Kirche Sankt Magdalena und dem Alten Friedhof benötigt, wo die als "schiache Luzie" verkleidete und mit Reisigbesen und Sichel ausgestattete Assistentin Melanie Neumeyer ihre Auftritte hat und welche Musik bei der kleinen Rast in Sankt Magdalena zu hören sein soll. Für die 52-Jährige ist es bereits die vierte dieser Themenführungen, also schon Routine. Abwechselnd mit den beiden Kolleginnen Gisela Kleinle und Elisabeth Summer geleitet sie im Auftrag der Stadt als Gästeführerin durchs vorweihnachtliche Fürstenfeldbruck und erzählt historische Anekdoten und Wissenswertes übers Brauchtum rund um Advent und Heiligen Abend. Die "heiße Phase" beginnt dann im November, wenn sich das Team noch mal trifft. Dass dann aber am vergangenen Sonntag mehr als 40 erwartungsvoll blickende Besucher vor der Leonhardikirche stehen, das war weder im Spätsommer noch im November vorherzusehen. "Außerdem ist es auch noch überraschend kalt", sagt Bettina Lampart-Heinemann, die sich durch Unvorhersehbares aber nicht aus der Spur werfen lässt. Auch deshalb, weil die Gästeführerin ihren Mann Jochen und den 18 Jahre alte Sohn Johannes mitgebracht hat. Während die beiden vor dem Beginn der Führung die Gutscheine für den Glühwein auf dem Viehmarktplatz ausgeben, schnippelt sie selbst hinten in der kleinen Sakristei noch schnell mehr von den drei Lebkuchensorten klein.

Die Teilnehmer der Führung lernen schnell, dass ihnen hier nicht nur etwas vermittelt werden soll, sondern dass sie eine Zeitreise vollführen und mittendrin sind im Geschehen: Hier helfen sie beim Entzünden des Weihrauchs, den sich Lampart-Heinemann von ihrer Chefin aus dem Oman hat mitbringen lassen und der in dem kaum mit Duschen gesegneten Mittelalter durchaus eine gewisse Raumspray-Funktion hatte. Dort suchen sie am Kreuzgewölbe der Kirche nach der Brucker Variante des Nikolauses. Oder sie werden nach dem Blick durchs Schaufenster des Schokoladen-Geschäfts an der Hauptstraße fürs Miträtseln mit Süßigkeiten belohnt - nachdem sie den mehr amerikanischen als bayerischen Brauch kennen gelernt haben, Essiggurken an den Christbaum zu hängen. Natürlich kennt sich die aus Ludwigsburg stammende studierte Kunsthistorikerin, die seit zehn Jahren in Bruck lebt, auch mit dem Brauch des Luzienhäuschen-Schwimmens aus - mit dem seit 1785 wieder etwas Licht in die winterliche Dunkelheit gebracht werden soll. In stundenlanger Arbeit hat sie im Keller ein Haus gebaut aus Pappe, buntem Pergamentpapier und Holz. Noch bevor am Dienstag viele Kinder ihre kleinen Kunstwerke zu Wasser lassen werden, gibt es also bereits eine Generalprobe. Die verläuft erfolgreich, weil das Häuschen zwar erst an einem Brückenpfeiler hängen bleibt, sich dann aber doch noch durch eine Stromschnelle kämpft, die Brücke hinter sich lässt und damit die Mission erfüllt hat. Dass manche Menschen dem Brauchtum eine Art "Mottenkistencharakter" beimessen, hält Lampart-Heinemann für voreilig und zu pauschal. Bräuche dürften sich im Lauf der Jahre durchaus wandeln und weiterentwickeln.

Wie aber verbringt eine ausgewiesene Expertin selbst das Weihnachtsfest - das übrigens erst seit dem Jahr 354 überhaupt begangen wird? "Mit elektrischen Kerzen am Christbaum", verrät Bettina Lampart-Heinemann. Die gab es - Oskar von Miller sei Dank - im 3000-Seelenstädtchen Bruck bereits 1892 und damit drei Jahre bevor sie Licht ins Weiße Haus des US-Präsidenten brachten. Außerdem gibt's bei den Heinemanns unterm Christbaum (der evangelische Wurzeln hat) eine Krippe (die der katholischen Kirche zuzurechnen ist), und die Familie besucht bis heute gerne die Kinderchristmette in Sankt Bernhard.

An diesem Samstag und am Sonntag, 18. Dezember, jeweils von 15.30 bis etwa 17 Uhr, gibt es weitere Gelegenheiten, weihnachtliche Bräuche und Brucker Eigenarten kennen zu lernen (im Preis von 12/6 Euro ist ein Glas Glühwein oder Kinderpunsch enthalten).

Für ledige junge Frauen ist dann freilich der Zug schon abgefahren. Denn im Angesicht der Rosenkranzmadonna hatten die Teilnehmer am 4. Dezember in Sankt Magdalena erfahren, dass es sich just an diesem Festtag der Heiligen Barbara lohnt, ein paar Obstzweige zu schneiden und als Liebesorakel zu nutzen. Treibt ein Ast bis Weihnachten aus, lässt sich angeblich daran ablesen, welcher Mann um die Hand anhalten wird. Die ermutigende Botschaft für Singles: In zwei der 14 bevorstehenden Raunächten - dem 28. Dezember und dem 5. Januar - kann sich das Blatt in jedem Fall noch zum Guten wenden.

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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