Serie: Der Ferienreporter, Folge 16:Türöffnerin für die Gläubigen

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Aus dem begehbaren Kleiderschrank in der Sakristei der Brucker Klosterkirche nimmt Mesnerin Christine John ein Gewand für den Priester. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Für die Mesnerin der Fürstenfelder Klosterkirche ist ihr Beruf eine Angelegenheit des Herzens

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Sie ruckelt energisch an den Griffen. Nur mit einiger Kraftanstrengung ist die Schublade der riesigen antiquarischen Kommode zu öffnen. Als es Christine John gelingt, tauchen Stolen in leuchtenden Farben auf. Die zweieinhalb Meter langen Stoffbahnen sind ebenso fein geordnet wie der Inhalt der nächsten Schubladen: Kordeln, weiße Kelchtücher, schließlich reich verzierte Messgewänder, eingepackt in Pergamentpapier. Und für jede Lage kennt John selbstverständlich die entsprechende Bezeichnung wie etwa das Zingulum, womit eben der strickartige Gürtel gemeint ist, mit dem der Priester sein weißes Untergewand schürzt. Letztgenanntes Kleidungsstück hat natürlich auch einen Fachbegriff, nennt sich Albe und John holt es gleich darauf aus einem begehbaren Schrank hervor, um es gemeinsam mit einem grünen Priestergewand auf eine Kleiderstange zu hängen.

Jetzt könnte der Geistliche kommen, um sich in der beinahe saalgroßen Sakristei für den Gottesdienst anzuziehen. Aber die Mesnerin der altehrwürdigen Klosterkirche Fürstenfeld veranschaulicht nur einen kleinen Teil ihrer Arbeit, schließlich findet nur sonntags eine Eucharistiefeier in dem berühmten Barockbau statt.

Die 62-jährige Allingerin kümmert sich am Wochenende um das Gotteshaus, samstags werden in Fürstenfeld viele Hochzeiten gefeiert, und vertritt dann den hauptberuflichen Mesner. Das fängt ganz bildlich mit dem Aufsperren an. Und wer den monströsen Schlüssel für das Hauptportal in ihren Händen sieht, mag selbst spüren, dass dieser Arbeitsbeginn gleichsam einem symbolischen Akt gleichkommt, in eine andere Welt einzutreten: "Wenn ich aufsperre und in die Stille der Kirche eintrete, denke ich mir: Das ist mein Zuhause", bekennt die studierte Theologin, die als eine Voraussetzung für ihren derzeitigen Beruf natürlich einen "gelebten Glauben" nennt. Und auch ein zweites Kriterium scheint unabdingbar: "Ich fühle mich in der Liturgie aufgehoben." Denn der Kernbereich ihrer Tätigkeit ist es, alles für den Ablauf des Gottesdienstes, für die festgelegten Riten und Zeremonien vorzubereiten. Die Kleidung des Priesters ist da nur das eine, viele andere Kleinigkeiten das andere.

Diese Aufgaben warten auf John in der zweiten Sakristei, zu der sie über den prachtvollen Hochaltar mit seinen Jahrhunderte alten Chorgestühlen gelangt. Der deutlich kleinere Raum ist vollgestellt mit allen möglichen liturgischen Geräten: Kerzenständer stehen am Boden, Weihrauchkessel hängen von einem schnöden Holzregal, ein Tongefäß in Gestalt eines Fisches ruht auf einer Ablage. Die Mesnerin hebt den Deckel, im Inneren lagern Hostien. Das sind dünne Obladen, die am Höhepunkt der eucharistischen Liturgie, der Wandlung, symbolisch zum Leib Christi erhoben und an die Gläubigen verteilt werden. Bei einem gut besuchten Gottesdienst müsse sie schon 800 Hostien zurechtlegen, sagt die Mesnerin und öffnet einen kleinen Schrank: Darin befinden sich gläserne Gefäße für Wasser und Wein sowie bronzene Kelche.

Neben dem Vorbereiten der liturgischen Gegenstände hat sich die Kirchendienerin noch um teils profanere Dinge zu kümmern: im Winter die Bankheizung anstellen, die Körbchen für die Kollekte austeilen und per Knopfdruck zum richtigen Zeitpunkt im Gottesdienst die Glocken läuten lassen. Bleibt noch jene kleine Betätigung, die die Mesnerin als "sehr entspannend" empfindet: "Beim Anzünden der Kerzen bereite ich mich innerlich auf die Messe vor."

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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