Seit zwei Jahren keinen Erfolg:Wohnraum verzweifelt gesucht

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Schon seit zwei Jahren suchen Annette Speer (links) und Monika Fußeder nach einer neuen Bleibe für die therapeutische Wohngemeinschaft. (Foto: Johannes Simon)

Der sozialpsychiatrische Dienst der Caritas braucht für eine Wohngemeinschaft für Menschen mit psychischen Problemen eine neue Unterkunft. In wenigen Monaten muss die jetzige Bleibe geräumt werden

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Dass der Wohnungsmarkt im Großraum München und damit auch im gesamten Landkreis Fürstenfeldbruck seit Jahren immer mehr anzieht und es kaum noch günstigen Wohnraum gibt, ist schon keine Neuigkeit mehr. Monika Fußeder ist dennoch fassungslos. Seit zwei Jahren sucht sie mit ihren Kollegen vom sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas nach geeignetem Wohnraum für ihre therapeutische Wohngemeinschaft. Bislang ohne Erfolg. Sie verstehe das nicht, schließlich sei die Caritas ein zuverlässiger und solventer Mieter, sagt Fußeder kopfschüttelnd.

Weil die zweijährige Suche nichts gebracht hat und weil die seit mehr als 20 Jahren bestehende Wohngemeinschaft ihr Haus in Olching in wenigen Monaten wird räumen müssen, starten Fußeder und ihre Kollegin Annette Speer, eine von zwei Betreuern der WG, nun einen öffentlichen Hilferuf. Für die sechs Bewohner benötigen sie bis zum Frühjahrsbeginn 2018 ein Haus mit sechs bis acht Zimmern oder zwei Wohnungen mit je drei bis vier Zimmern. Weitere Wünsche sind ein langfristiger Mietvertrag, eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr sowie ein bezahlbarer, dem Mietspiegel entsprechender Preis. "Ich brauche einen Eigentümer, der sozial eingestellt ist", legt Fußeder dar. Und äußert den Verdacht, dass viele Eigentümer nicht an Menschen mit psychischen Problemen vermieten wollten - selbst, wenn diese fachmännisch betreut würden. "Das ist ein gesellschaftliches Problem", sagt die Fachdienstleiterin.

Dabei hat es beispielsweise mit den Nachbarn nie Probleme gegeben. Das sagen nicht nur die beiden Sozialpädagoginnen. "Überhaupt nicht", bekräftigt auch Isabella, die in Wirklichkeit anders heißt. Da sie seit einigen Jahren in der Wohngemeinschaft in Olching lebt, kann sie mit einem gewissen Erfahrungsschatz berichten. Isabella, bald Mitte 20, kam vor einigen Jahren in die WG, zuvor hatte sie bei ihren Eltern gelebt. Eine eigene Wohnung hätte sie nicht geschafft, räumt sie ein.

"Für mich persönlich ist das sehr wichtig, dass ich weiß, da ist jemand", erklärt Isabella. Womit sie nicht nur ihre Bewohner meint, die ihr auf andere Weise helfen, sondern vor allen Dingen Speer und ihre Kollegin. Die Sozialpädagoginnen sind jeweils 25 Stunden in der Woche in dem Haus in Olching, ein paar Stunden gemeinsam, sonst allein. "Es geht zum Beispiel um Alltagsbewältigung", erläutert Speer. Je nach Problematik des Bewohners ist vielleicht Unterstützung bei der Strukturierung des Tagesablaufs nötig, beim Bewältigen der eigenen Erkrankung, aber auch bei vermeintlich Banalem wie dem Schreiben von Behördenbriefen. Regelmäßig gibt es deshalb Einzelgespräche sowie Gruppenarbeit in unterschiedlichen Größen. Die Wohngemeinschaft wolle eben "eine gewisse Grundstabilität" vermitteln, erklärt die Leiterin des Fachdienstes.

Für die WG-Bewohnerin Isabella war es damals wichtig, von ihren Eltern wegzukommen. In einer eigenen Wohnung zu leben, hätte sie aber nicht geschafft. Die jetzige Wohnsituation mit Gleichgesinnten gebe ihr Sicherheit und Geborgenheit. "Das, was ich mit meiner Krankheit erlebt habe, versteht kein anderer Mensch. Außer den Bewohnern." Mit diesen Worten beschreibt es Annette Speer, Isabella nickt zustimmend.

Insgesamt besteht die Wohngemeinschaft mitten in Olching bereits seit mehr als 20 Jahren. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben 19 Personen mit psychischen Problemen dort gelebt. Sie blieben zwischen einem Monat und 8,5 Jahren, im Durchschnitt waren es 2,5 Jahre. Wohin die ehemaligen Bewohner ziehen, ist laut Fußeder und Speer "individuell verschieden", einige ziehen in eine eigene Wohnung, andere in andere Einrichtungen.

Falls sich nun immer noch niemand finde, blickt Fußeder in die Zukunft, "dann gehen diese sechs Bewohner in die Obdachlosigkeit". Und dann ist laut Gesetz die Stadt Olching in der Verantwortung.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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