Seidl-Hotel in Puchheim:Von null auf Hotelier

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Andrea und Frank Seidl kennen sich aus mit Steuerrecht und Messtechnik. Aber ein Haus mit 95 Zimmern führen? Nicht ganz freiwillig gehen sie das Wagnis ein - und werden nun von der Sparkasse mit dem Gründerpreis belohnt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Wenn eine Steuerfachangestellte und Autorin sowie ein Elektrotechnikingenieur gemeinsam ein Hotel übernehmen, dann klingt das ungewöhnlich. Wenn sie damit aber so erfolgreich sind, das sie mit dem Gründerpreis der Sparkasse in der Kategorie Start-ups ausgezeichnet werden, dann ist das mehr als dies: dann ist es schlicht bemerkenswert. Am Dienstag haben Andrea und Frank Seidl, Eigentümer des Seidl-Hotels in Puchheim, aus den Händen von Sparkassenchef Klaus Knörr den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis entgegengenommen. Auf dem zweiten Platz landete eine ebenfalls in Puchheim ansässige Datenrettungsfirma, auf dem dritten Platz eine freie Autowerkstatt aus Unterschweinbach.

Das Hotel Seidl in Puchheim bei der Neueröffnung im September 2014. (Foto: Michael Rotter/ideas 4 hotels“/oh)

Die Sparkasse Fürstenfeldbruck vergibt den Gründerpreis bereits zum neunten Mal. Gewürdigt werden sollen damit Kunden, die erfolgreich mittelständische Unternehmen aufbauen oder führen. Wechselweise werden die Kategorien Start-up, Aufsteiger, Sonderpreis sowie Lebenswerk ausgeschrieben. Bewertungskriterien sind unter anderem Qualität der Unternehmensplanung, Umsatzentwicklung, Schaffung von Vollzeitarbeitsplätzen sowie Innovationspotenzial. Der Sieger qualifiziert sich automatisch für den Wettbewerb auf bayerischer Ebene.

Bei der Übergabe der Sparkassen- Gründerpreise. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Knörr würdigte das Engagement der drei Preisträger. "Auf Unternehmer wie Sie ist unser Landkreis gebaut." Die Preisverleihung liege ihm auch deshalb sehr am Herzen, weil sie die enge Verbundenheit der Sparkasse zum Mittelstand dokumentiere. Gerade bei Jungunternehmern bestehe ein intensiver Beratungsbedarf, bei dem Chancen und Risiken abgewogen werden. Für Andrea und Frank Seidl war die Metamorphose zum Unternehmer in der Tat beides: Chance und auch Risiko. Beide entschlossen sich nicht ganz freiwillig zu dem Schritt. Das große Haus an der Lochhauser Straße in Puchheim befindet sich bereits viele Jahre in Familienbesitz und wird seit 1992 als Hotel geführt. Meinungsverschiedenheiten mit dem Pächter über notwendige Investitionen ließen dann die Entscheidung reifen, "die Sache selbst in die Hand zu nehmen": Die Seidls besuchten Seminare, fanden einen guten Berater - und vor allem einen geeigneten Hoteldirektor. "Ein Glücksgriff" sei das gewesen, sagt Andrea Seidl, denn als Seiteneinsteiger ein Haus mit 95 Zimmern, zwei Tagungsräumen und 25 bis 30 Voll- und Teilzeitkräften ganz allein zu führen, ist kaum aussichtsreich. Es war kein leichter Weg, und doch "würden wir es genau so wieder machen". Ende November 2013 fiel die Entscheidung. Mehr als eine Million Euro wurden in Sanierung und Umbau gesteckt. Sehr schnell habe die Finanzierung gemeinsam mit dem Geldinstitut geklappt, so dass bereits im September 2014 wiedereröffnet werden konnte. Seither entwickelt sich das Projekt prächtig, Klaus Knörr lobte den Familienbetrieb für eine Geschäftsentwicklung, die "erfreulich über Plan" liege. Über Plan liegt auch der Andrang im Hotelzimmer mit der Slot-Car-Bahn, einer Art Carrerabahn aus Holz, die jeden Tag auf- und wieder abgebaut wird. Frank Seidl wollte damit eine Alternative zur Bar schaffen - die Gäste spielten buchstäblich mit. Rückblickend schmunzeln die Seidls über manche Anekdote. So versuchten sie, Geschäfts- und Individualreisende zu gewinnen, wollten aber eher weg vom früheren "Busreisegeschäft". Deshalb staunten sie nicht schlecht, als einige Monate nach Neueröffnung doch wieder acht Busse ums Hotel herum standen. Schnell stellte sich dann aber heraus, dass lediglich acht Busfahrer - ohne entsprechende Entourage - im Hotel nächtigten. Für Verdruss hingegen sorgen die Irrungen und Wirrungen des deutschen Steuerrechts mit seinen verschiedenen Sätzen im Gastronomie- und Hotelbereich. Hier immerhin kommen Andrea Seidl ihre Fachkenntnisse zugute. Schon möglich, dass die Seidls irgendwann einmal die Fachkenntnisse eines anderen Preisträgers benötigen: Andrey Verevkin, der gemeinsam mit Marina Koch gekommen war, hat jüngst das Datenrettungsunternehmen Dr Data gegründet. Als es bei der Feierstunde um Datensicherheit geht und Frank Seidl auf ein Rechenzentrum verweist, bei dem die umfangreichen Daten des Hotelbetriebs in einer Cloud doch gewiss ganz sicher aufgehoben seien, lächelt der Softwarespezialist nur. Rechenzentren zählen auch zum Kreis seiner Kunden. Erst vor zwei Monaten hatte sich eines Hilfe suchend an ihn gewandt: 20 Vier-Terrabyte-Festplatten waren durch einen Blitzeinschlag und folgenden Brand stark beschädigt worden. Für Verevkin, der sich sonst meist um "normale" Festplatten oder deformierte SD-Laufwerke kümmert, war das ordentlich Arbeit. Die frohe Botschaft, die auch Frank Seidl an diesem Tag durchatmen ließ: "Wir konnten alle Daten wiederherstellen."

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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