Schwimmwettkämpfe:Von Neptun und den Wasserratten

Lesezeit: 3 min

Im Landkreis Fürstenfeldbruck wird Wettkampfschwimmen nur noch in zwei Vereinen angeboten. Trotzdem treten bei der Kreismeisterschaft 271 Schwimmer an, um den Titel in ihren jeweiligen Klassen zu holen

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Es sieht wie ein großes Chaos aus. Ein riesiges Gewusel herrscht im Hallenbad der Brucker Amperoase. Das 25-Meter-Becken ist dicht umlagert. Immer wieder ertönen Pfiffe und der Ruf der Kampfrichter "Auf die Plätze" und danach die Starthupe. Gerade schwimmen die Männer um die Kreismeisterschaft über hundert Meter in der Delphinlage. Kurz darauf folgen die 50 Meter Rücken der sieben- und achtjährigen Mädchen. Die mühen sich sehr beim anstrengenden Rückenschwimmen über die zwei Bahnen in der Halle. 149 weibliche und 122 männliche Teilnehmer schwimmen einen ganzen Tag lang in vielen Disziplinen und Alters- und Jahrgangsklassen um die Kreismeistertitel. Kreismeisterschaften im Schwimmen reichen bis Karlsfeld, Indersdorf und Dachau im Nordosten und bis Kaufering im Westen. Im Brucker Landkreis wird Wettkampfschwimmen nur noch in zwei Vereinen betrieben: SSG Neptun Germering und SV Wasserratten Fürstenfeldbruck.

Darüber hinaus gibt es noch eine Schwimmabteilung beim TSV Wildenroth in Grafrath. Dort wird jedoch kein Leistungsschwimmen betrieben. "Grafrath liefert uns einige Schwimmtalente zu", klärt Michael Neuhierl von den Wasserratten über die Lage auf. Der Vizepräsident der Wasserratten zieht gerade den Schwimmanzug seiner zehnjährigen Tochter Stina mit einem festen Ruck hoch. Der Anzug sitzt extrem eng am Körper, da braucht es Vaters Hilfe. Stina startet gleich über 50 Meter Rücken. Den leistungsorientierten Schwimmerinnen und Schwimmern geht es auch um gute Zeiten, um sich für die Wettkämpfe auf Bezirks- oder Landesebene zu qualifizieren.

Die Schwimmer der Wasserratten sind seit vielen Jahren sportlich sehr erfolgreich (hier Maximilian Ottl bei einem Wettkampf im Jahr 2016). (Foto: privat)

Besonders viele Mädchen sind im Hallenbad auszumachen. "Nachwuchsprobleme haben wir nicht", sagt dann auch Neuhierl von den Brucker Wasserratten. 430 Mitglieder hat der Verein, etwa 65 Prozent davon sind Kinder. Doch letztlich blieben nur relativ wenige Kinder übrig, die sich mit dem Leistungstraining anfreunden können. "Das beginnt bei uns mit etwa zehn Jahren", erzählt Markus Rips, Trainer bei Neptun Germering. Dort sind es 35 von insgesamt 320 Kindern, die in drei Leistungsgruppen bis zu sechsmal in der Woche trainiert werden. Erst im Leistungsbereich komme die Stoppuhr zum Einsatz. "Wir schauen auf die Technik in den vier Lagen und auf die Zeit", betont auch Neuhierl. Vorher stehe der Spaß am Schwimmen im Vordergrund. Spaß am Schwimmen hat Lea Obermair von den Wasserratten immer noch. Die 14-jährige Schülerin aus Aufkirchen ist soeben Kreismeisterin über 100 Meter Kraul geworden und hat dabei mit 59,86 Sekunden die Minutenmarke unterboten.

Lea Obermair schwimmt seit sie vier Jahre alt ist und hat auch schon Stagnation und Rückschläge erlebt. "Ich war schon an einem Punkt und wollte aufhören", erzählt sie, "die Trainer haben mich dann ermutigt, weiterzumachen." Das Schwimmtraining ist aufwendig wie kaum eine andere Sportart. Obermair absolviert in der Woche dreimal ein Wassertraining von 90 Minuten und einmal ein Kraft- und Koordinationstraining an Land. Bei den diesjährigen Deutschen Jahrgangsmeisterschaften wird sie über 50 und 100 Meter Kraul an den Start gehen. 2015 belegte sie über 50 Meter Kraul den 22. Platz. Da ist Cornelia Rips aus Germering schon weiter. Die 14-jährige Schülerin ist wohl das größte Schwimmtalent, das Neptun Germering hervorgebracht hat. Seit August 2015 ist sie ins Sportinternat und nationalen Schwimmstützpunkt nach Halle an der Saale umgezogen. Dort trainiert die Tochter von Markus Rips zweimal am Tag. "Das konnten wir in Germeringer Hallenbad nicht organisieren", sagt er. Einerseits ist er traurig, "aber es wäre dumm gewesen, sie zurückzuhalten", so Markus Rips. Bevor seine Tochter umgezogen ist, hat sie fast alle Neptun-Vereinsrekorde geknackt.

Sandra Bertram, Schriftführerin der Wasserratten, kann am Ende (von links) Corinna Wirkner und Lara Cosic gratulieren. (Foto: privat)

Wasserratten und Neptun kämpfen mit den gleichen Problemen. Beide Vereine verfügen über zu wenige Wasserzeiten und haben im Winter keine 50-Meter-Bahn, die für ein wirksames Leistungstraining notwendig wäre. "Das wird sich in Germering noch zuspitzen", prognostiziert Rips, weil 2017 das kleine Lehrschwimmbecken an der Wittelsbacherschule geschlossen wird. Das sei beinahe zwölf Stunden am Tag belegt. Was nach der Schließung passiere, stehe noch nicht fest. Vielleicht kommt ein neues Bad in der Nähe des Hallenbades oder es komme die "große Lösung", so Rips, am Germeringer Freibad. In der Zwischenzeit müssten die Kinder aber irgendwo Schwimmen lernen. Der Verein könne das mit seinen wenigen Hallenzeiten nicht organisieren.

Auch die Wasserratten machen sich in Fürstenfeldbruck für eine Erweiterung der Kapazitäten stark. Die fünf Bahnen im kleinen Hallenbad reichen hinten und vorne nicht. "Wir wollen gerne über das Freibad eine Traglufthalle haben, um auch im Winter dort auf einer 50-Meter-Bahn trainieren zu können", unterstreicht Michael Neuhierl noch einmal die Forderung des Vereins. Investitionssumme: 500 000 Euro. "Die hält aber zehn Jahre", so Neuhierl, "danach sind nur 250 000 Euro notwendig, um sie für weitere zehn Jahre fitzumachen." Ob bei der hohen Verschuldung eine Traglufthalle oben auf der Prioritätenliste der Stadt steht, scheint jedoch zweifelhaft zu sein. "Wir könnten dann auch den Schwimmunterricht für 3000 Schüler organisieren", verspricht der Vizepräsident der Wasserratten.

Der lange Wettkampftag neigt sich dem Ende entgegen. Immer wieder wurde von den Kampfrichtern zur Achtung gepfiffen und zum Start gehupt. Etwa 1200 Mal sind die 270 Teilnehmer der Kreismeisterschaften in den vier Lagen an den Start gegangen. "Es war auch ein Test für unser Organisationsteam", sagt Neuhierl. Im kommenden Juli müssen die Wasserratten im Freibad die Oberbayerischen Meisterschaften ausrichten. Dann werden an zwei Tagen 2600 Starts stattfinden. Auch das werden die Wasserratten sicherlich bewältigen.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: