Schulbau:Freigeister brauchen Freiraum

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Die Olchinger Mittelschule ist der einzige Neubau unter den Mittelschulen im Landkreis. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der ehemalige Münchner Stadtschulrat Rainer Schweppe plädiert beim Forum Pädagogik für ein Umdenken beim Bau von Schulen. Die Gestaltung von Klassenzimmern kann sich auf die Noten auswirken, so die Botschaft

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Schulbauten bieten im Idealfall ein optimales Lernumfeld. "Mein Pädagogenherz hat da ganz toll geschlagen", meinte Bettina Betz begeistert. Die ehemalige Grundschulrektorin der Gröbenzeller Ährenfeldschule hatte zuvor dem flammenden Plädoyer von Rainer Schweppe, dem ehemaligen Münchner Stadtschulrat, für eine bessere Schule gelauscht. Motto: "Der Raum ist der dritte Pädagoge." Beispiele aus München von Neubauten hatte Schweppe beim "Forum Pädagogik" des Staatlichen Schulamts Fürstenfeldbruck mitgebracht. Ebenso wie Statistiken über Abschlussquoten von hundert Prozent und die Halbierung der Sitzenbleiberquote nicht in Grund- oder Mittelschulen, aber in drei Realschulen.

Betz, seit kurzem im Brucker Schulamt tätig, wusste aber auch um die Schwierigkeiten von Schulen, die in Bestandsbauten untergebracht sind. Da würden die Gemeinden über die zur Verfügung stehenden Mittel entscheiden und da wären die Gespräche mitunter schwierig. "Da treffen Schulleiter auch auf Widerstand in den Gemeinden", so Betz mit Blick auf ihre langjährigen Erfahrungen. Bei den versammelten Schulleitern im Sitzungssaal des Landratsamtes stießen die Ausführungen von Betz auf Zustimmung. Michael Schanderl (Freie Wähler), Bürgermeister von Emmering, wollte das nicht so stehen lassen und beklagte seinerseits mangelnde Flexibilität der Lehrer, zum Beispiel bei der parallelen Nutzung von Räumen. "Da besteht wenig Bereitschaft, etwas Neues zu wagen", kritisierte Schanderl und spielte den Ball zurück.

Die allermeisten bestehenden Grund- und Mittelschulen im Landkreis werden in der Regel nicht neu gebaut, sondern saniert. Schweppes Modellbau mit Klassenzimmern, die gleich nebenan für jede Klasse einen zusätzlichen Ausweichraum haben und statt eines Flurs über eine "offene Lernmitte" verfügen, geht an der Wirklichkeit in den meisten Landkreisschulen vorbei. Nur bei der neuen Olchinger Mittelschule im Schwaigfeld haben die Architekten beim Bau ein ähnliches Konzept berücksichtigt. So ein Schulneubau mit mehr Räumen für Schüler und Lehrer ist kostspielig. "Ist ein solches Raumkonzept auch bei den Förderstellen, die die Richtlinien festlegen, angekommen?", wollte Schanderl noch von Schweppe wissen. "Die Zuschusshöhe trifft häufig nicht mit der Realität zusammen", ergänzte er unter dem Beifall der Schulleiter.

"In München hat sich der Freistaat auf die Förderbedingungen eingelassen", antwortete Schweppe. "Die haben sich bewegt, das ist ein gutes Signal." Die Zukunft in den Grundschulen sei die Ganztagsschule, zeigte er sich überzeugt. In München würden schon jetzt 87 Prozent der Grundschüler ganztags betreut. Doch vielerorts falle der Vormittag mit Unterricht und der Nachmittag mit Mittagsbetreuung, Hort und Schule noch auseinander. "Das muss besser vernetzt werden", forderte Schweppe. Dafür müssten neben den Bauten auch neue Lernkonzepte, die individuelle Förderung samt Inklusion und Arbeit in Kleingruppen ermöglicht werden. Schweppe plädierte für die altersheterogene Grundschule, die die Klassen von eins bis vier, also die Jahrgänge, durchmischt.

Cathrin Theiß, Rektorin der Grundschule Graßlfing, forderte ein Mitspracherecht der Lehrer ein, "bevor sich die Architekten an die Arbeit machen". Ihre Grundschule würde räumlich aus allen Nähten platzen. Theiß bekräftigte: "Lehrer sind schon Teamplayer." Auch dafür gab es Beifall. Thomas Frey, ehemaliger Schulleiter einer Mittelschule in Markt Indersdorf, bezweifelte Schweppes These, dass allein schon eine Änderung des Lernumfeldes die Ergebnisse der Schüler verbessern würden. Frey, der auch ins Brucker Schulamt gewechselt ist, war sich sicher: "Der Erfolg war auch bei uns trotz der räumlichen Situation da." Er wünschte sich, dass in den Seminaren für die Lehrerausbildung neue Lehr- und Lernkonzepte - inklusive der Nutzung zusätzlicher Räume - aufgegriffen und vermittelt werden. "Wenn wir einen kleinen Raum hätten", antwortete die anwesende Irene Hueck vom Grundschulseminar Fürstenfeldbruck prompt und hatte viele Lacher auf ihrer Seite.

Anna-Maria Neider, Rektorin der Grundschule Aufkirchen, berichtete von begeisterten Lehrern, die zusätzliche Räume und Gänge in ihrer Schule nutzten. "Doch dann kam der Brandschutz und Fluchtwege mussten freigehalten werden, das war bitter", meinte Neider ziemlich ernüchtert. Referent Rainer Schweppe, der 2010 aus dem nordrhein-westfälischen Herford nach München kam, ließ sich nicht von seinen Überzeugungen abbringen: "Das Modell muss funktionieren - das ist logisch." Die deutschen Schulpreise für Münchner Schulen hätten das bewiesen. Er forderte, dass die Lehrerfortbildung in den Schulen stattfinden müsse. "Die Lehrerakademie in Dillingen reicht nicht aus", bekräftigte Schweppe.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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