Schattenseite der guten Konjunktur:Bauprojekte in der Warteschleife

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Rathausneubau, Freibadsanierung, Schulerweiterung: Landkreiskommunen kommen mit ihren Vorhaben in Verzug, weil die ausgelastete Baubranche immer höhere Preise verlangt und die Kosten explodieren

Von Ariane Lindenbach

Gröbenzell findet keine Firma für den Rohbau des Rathaus-Neubaus, in Maisach kann die Gemeinde ihre Pläne zur Erneuerung des Freibads nicht verwirklichen, in Germering steigen die Kosten für Neubau und Erweiterung der Schulen an der Wittelsbacher Straße stark an. Grund dafür sind die vollen Auftragsbücher der Baufirmen. Diese können entsprechend hohe Preise diktieren. Mit der Folge, dass manche geplante Baumaßnahme der öffentlichen Hand vorerst zurückgestellt wird. Die Situation in der Baubranche ist derzeit für die kommunalen Auftraggeber zu gut und kommt ihnen deshalb immer teurer. Bei der Erweiterung der Berufsschule etwa registriert man im Landratsamt teilweise Kostensteigerungen bis zu 200 Prozent. Jürgen Thum, Stadtbaurat von Germering, kommentiert die Entwicklung so: "Die Bandbreite der Angebote lag früher zwischen günstig und teuer, jetzt gehen sie von teuer bis utopisch."

"Die Situation ist so, dass der Markt im Großraum München etwas angespannt ist in der Baubranche", sagte Martin Schäfer (UWG) unlängst in der Sitzung des Gemeinderates. Dort stockt der Neubau des geplanten Rathauses. Wie Gröbenzells Bürgermeister seinen Ratskollegen darlegte, hat auf die öffentliche Ausschreibung für den Rohbau nur eine Baufirma ein Angebot abgegeben, bei der Submission hatten sich immerhin noch zehn interessiert. Wirtschaftlich war das Angebot Schäfer zufolge indiskutabel: Die Firma verlangte 5,3 Millionen Euro für den Rohbau, die Kostenberechnung lag bei 2,6 Millionen Euro, also nicht einmal der Hälfte. "Wir haben einen Puffer, auch vom Zeitplan her", betonte der Bürgermeister auf Nachfrage.

Wie Schäfer dem Gemeinderat darlegte, erfolgt jetzt im Juni eine weitere Ausschreibung. Bekäme die Gemeinde dafür noch ein akzeptables Angebot, könnte im Herbst mit den Arbeiten am Rohbau begonnen werden. Findet sich erneut keine Firma, soll die nächste Ausschreibung im Juli folgen, dann mit Baustart im Frühjahr. Die Verzögerung verursacht in jedem Fall Mehrkosten, da die Gemeinde 13 000 Euro Monatsmiete für die Spundwände bezahlt. Und je später der Bau weitergeht, desto länger werden diese benötigt. Axel Schuhn, der im Landratsamt die kreiseigenen Hoch- und Tiefbauprojekte leitet, hat ganz ähnliche Erfahrungen gemacht.

Der Neubau des Gröbenzeller Rathauses stockt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Erweiterungsbau des Landratsamtes liegen die tatsächlichen Kosten bei neun Millionen Euro, geschätzt wurden die Kosten auf 7,1; bei der Dreifach-Turnhalle in Maisach stiegen sie von 8,0 auf 11,1 Millionen Euro "und bei der Turnhalle in Puchheim haben wie ein ähnliches Problem". Wobei der Referatsleiter betont, dass in Maisach auch Faktoren wie ein Flächenmehrbedarf zur Kostensteigerung beigetragen haben. Besonders drastisch merkt man die Entwicklung allerdings beim Erweiterungsbau der Berufsschule. Wie Schuhn erläutert, wird derzeit der erste Bauabschnitt fertiggestellt. Währenddessen laufen bereits die Ausschreibungen für den zweiten, aktuell für den Rohbau. "Wir kriegen nur zwei, drei Angebote rein", berichtet Schuhn, die Preise seien "horrend". "Wir haben einen direkten Vergleich zum ersten Bauabschnitt, da sind zum Teil Preissteigerungen von 200 Prozent drin." Der Baupreisindex, also jene Zahl zur Messung der Preisentwicklung für Neubau und Instandhaltung von Bauwerken, "explodiert im Moment, und das konnten wir vor zwei, drei Jahren noch nicht ahnen", erklärt der kreiseigene Baufachmann.

Auch in Maisach spürt man die angespannte Situation auf dem Baumarkt. Der zweite Abschnitt des Freibadumbaus wird nun ins nächste Jahr verschoben, weil "wir nur Angebote reinbekommen mit dem Doppelten von den Kosten", wie Michaela Meinhold berichtet. Ursprünglich sollten die Arbeiten zur Verschönerung des Beckenumgangs noch vor dieser Badesaison erledigt werden. Doch "die Kosten sind einfach explodiert", teilweise würden sie mehr als die Hälfte über der Schätzung liegen, sagt die Bauamtsleiterin. Deshalb vergab die Gemeinde die Aufträge nicht, weder bei der ersten noch der zweiten Ausschreibung. Auch Jürgen Thum zeigt sich überrascht. In dieser Weise habe er das noch nicht erlebt, sagt Germerings Stadtbaurat. Suche man nach Handwerkern, komme gar kein Angebot, oder die genannten Preise lägen weit über der städtischen Kalkulation. Vor allem für Schulbauten spitzt sich die Situation zu. Denn auf diesem gebiet ist der Wettbewerb laut Thum nicht besonders groß. Der Baustadtrat rechnet deshalb, dass zu den bestehenden Mehrkosten von 1,3 Millionen Euro noch eine größere Summe dazukommt, bis die Wittelsbacher und die Theresen-Grundschule umgebaut werden.

Die Erweiterung der Wittelsbacher Schule in Germering stockt ebenfalls. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Erst ein gutes Drittel der Arbeiten ist vergeben. Positive Nachrichten gibt es indes aus Olching. Dort hat die Stadt für den Abriss der Grundschule Graßlfing doch noch eine Firma gefunden. Bei der ersten Ausschreibung im Januar hatten 17 Firmen die Unterlagen abgerufen, ein Angebot abgegeben hatte keiner. Nun wird die Firma Ottl aus Alling den Abbruch übernehmen. Thomas Vilgertshofer, Obermeister der Bauinnung der Kreishandwerkerschaft, reagierte auf eine Anfrage der Fürstenfeldbrucker SZ nicht. Aus seinem Vorzimmer hieß es, er habe keine Zeit für eine Stellungnahme. Auf der Frühjahrsversammlung der Bauinnung hatte er zu dem Thema aber erklärt: "Die Bauunternehmen selbst profitieren leider nur in geringem Umfang von den gestiegenen Umsätzen und Auftragslagen", die Preissteigerung hänge in erster Linie mit gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Baumaterial zusammen.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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