Rettungsschiff:"Frustrierend, zur Untätigkeit verdammt zu sein"

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Manfred Brandl aus Maisach spricht über Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und politisch ungewollte Rettungsmissionen

Interview von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Seit sich in Italien Lega und Fünf Sterne zu einer rechtsgerichteten Koalition zusammengefunden haben, hat sich die Lage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer weiter verschärft. Rettungsschiffen wird in maltesischen und italienischen Häfen die Einfahrt verweigert. Die "Open Arms" mit 60 Flüchtlingen durfte noch Barcelona anlaufen, während sich der Kapitän der Lifeline, die 234 Menschen an Bord genommen hatte, auf Malta vor Gericht verantworten muss. Manfred Brandl aus Maisach beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge. Vor fast genau einem Jahr war er auf der "Seefuchs", einem umgebauten Fischkutter, zwei Wochen lang auf Hilfsmission. Das Schiff der niederländischen Organisation Sea-Eye liegt zurzeit in einem maltesischen Dock vor Anker.

SZ: Vor fast einem Jahr haben Sie auf der Seefuchs angeheuert. Konnten Sie Schiffbrüchige retten?

Manfred Brandl: Nein. Das haben damals die Libyer verhindert. Nachdem wir aus Valetta in Malta ausgelaufen sind, waren in der Gegend noch zwei oder drei andere Hilfsschiffe unterwegs. Wir waren etwa 500 Meter von einem entfernt, als es aus einem havarierten Schlauchboot an die 150 Menschen rettete. Nur kurze Zeit später tauchten bewaffnete libysche Schnellboote auf. Das wirkte durchaus bedrohlich.

Woher wussten Sie, wo Flüchtlingsboote unterwegs waren?

Von der zuständigen Koordinierungsstelle in Rom. Aber wir hatten den Eindruck, dass die uns absichtlich an Stellen gelotst hat, an denen weit und breit niemand war. Anfangs war nur eine 30-Meilen-Zone vor Libyen tabu, die wurde dann auf 70 Meilen ausgedehnt. Einige Hilfsschiffe sind trotzdem bis auf zehn Meilen an die Küste herangefahren, um Flüchtlingen zu helfen. Eines ist dabei unter Beschuss geraten. Unser Kapitän wollte die Besatzung aber durch solche Vorstöße nicht gefährden.

Wie war die Stimmung unter der Besatzung?

Wir waren ein sehr gutes Team, elf Leute, vom Studenten bis zum Arzt. Und das unter schwierigen Bedingungen und bei bis zu 44 Grad.

Vermutlich nicht leicht, von der Not zu wissen, sie aber nie zu Gesicht zu bekommen und helfen zu können.

Ja. Für das Team war es natürlich frustrierend, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Da ich selbst mit den politischen Problemen der Flüchtlinge in Deutschland zurecht kommen muss, war dies für mich erträglich. Ernüchternder war es für mich zu sehen, dass Italien und Deutschland nicht auf Libyen einwirkten. In dem Land werden Flüchtlinge wohl bis heute in Gefängnissen gefoltert und deren Familien erpresst.

Was hat sich seither verändert?

Nicht allzu viel. Auch in Deutschland nicht. Man lässt Flüchtlinge zwar herein, aber dann verweigert man ihnen Ausbildung und Integration.

Würden Sie aus heutiger Sicht noch mal an so einer Hilfsmission teilnehmen?

Ich habe da aktuell keine Planungen. Aber es waren auf jeden Fall sehr wertvolle Erfahrungen, so lange auf hoher See zu sein mit so unterschiedlichen Menschen - und dem Plan zu helfen im Kopf. In der damaligen Situation würde ich es sicherlich wieder so machen.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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