Reden wir über:Heimat, Exil und Freundschaft

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Der türkisch-deutsche Autor Kemal Yalçın über sein Buch "Haymatlos"

Interview von Ingrid Hügenell

Der Philosoph, Lehrer, Journalist und Herausgeber Kemal Yalçın , geboren 1952 in der Türkei, musste 1982 aus seinem Heimatland fliehen. Er kam nach Deutschland, erhielt politisches Asyl und wurde Schriftsteller. In seinem Werk "Haymatlos" schildert er die Schicksale der Deutschen, die nach 1933 vor dem Nazi-Regime in die Türkei geflohen sind - Wissenschaftler, Musiker, Architekten, Politiker. Am Mittwoch, 28. November, liest Yalçın in der Stadtbibliothek Fürstenfeldbruck aus seinem Buch. Beginn ist um 19.30 Uhr, der Eintritt kosten fünf Euro. Das Buch ist 2011 in Istanbul erschienen.

SZ: "Ich würde mich glücklich schätzen, wenn das Buch Haymatlos ein wenig dazu beitrüge, dass man auf türkischer wie deutscher Seite einander mit mehr Freundschaft, Zuneigung und Hochachtung begegnet und sich der gemeinsamen Geschichte bewusster wird." Hat sich diese Hoffnung erfüllt, die Sie beim Erscheinen des Buchs äußerten?

Kemal Yalçın: Nein, leider nicht! Viele Türken in der Türkei oder in Deutschland haben keine Ahnung von der Geschichte der heimatlosen Deutschen in der Türkei zwischen 1933 und 1945. Auch viele Deutsche kennen die Geschichte der heimatlosen Wissenschaftler in der Türkei nicht. Deutsche Verlagshäuser haben leider kein Interesse an diesem Thema. Deshalb habe ich auch keinen deutschen Verlag gefunden, der "Haymatlos" herausbringen wollte. Sie sagen: "In Deutschland gibt es keine Markt für das Buch Haymatlos".

Wer sind die Hauptpersonen in Ihrem Buch?

Einer ist Cornelius Bischoff, den ich in Hamburg kennenlernen durfte. Er hatte 1939, mit gerade elf Jahren, eine äußerst beschwerliche und gefahrvolle Flucht unternommen und sich mit knapper Not dem Zugriff der Gestapo entzogen. Ich habe auch die Lebensgeschichte von Professor Ernst Eduard Hirsch erzählt, der große Leistungen bei der Gründung der Universitäten Istanbul und Ankara vollbracht hat. Ein anderer ist Ernst Reuter, der spätere Oberbürgermeister von Berlin.

Sie sind selbst von der Türkei nach Deutschland ins Exil gegangen. Welche Parallelen hat Ihre eigene Geschichte zu der der Deutschen in der Türkei?

Ich war in Deutschland 13 Jahre heimatlos! Ich konnte 15 Jahre nicht in mein Dorf zurückkehren, konnte meine Heimat nicht sehen. Ich habe große Sehnsucht erlebt. Die deutschen Heimatlosen haben dieselbe Sehnsucht erlebt wie ich. In meinem Buch habe ich auch mein Schicksal beschrieben. Ich bin Deutschland sehr dankbar.

Welches Land ist heute Ihre Heimat?

Die Welt ist meine Heimat! Deutschland ist für mich mein Vaterland, die Türkei mein Mutterland.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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