Reden wir über:Hassparolen bei den Römern

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(Foto: Stephan Buchberger/privat)

Gymnasiast Stephan Buchberger ist Landessieger in Alten Sprachen

Interview von Andreas Ostermeier

Der Germeringer Gymnasiast Stephan Buchberger liebt Latein. Die Sprache der Römer gehört nicht nur zu seinen bevorzugten Abiturfächern, sondern er beherrscht sie so gut, dass er kürzlich Landessieger beim Wettbewerb Alte Sprachen geworden ist. Für alt im Sinne von verstaubt hält der 19-jährige Abiturient am Carl-Spitzweg-Gymnasium die Sprache aber nicht, im Gegenteil: Texte von Cicero, Seneca oder Horaz verhandeln viele Themen, die uns auch heute noch beschäftigen, sagt Buchberger.

SZ: Unter den alten Sprachen sind Latein und Altgriechisch zu verstehen. Haben Sie beide gelernt?

Stephan Buchberger: Ich habe nur Latein gelernt. Seit der sechsten Klasse habe ich Unterricht. Aber schon in der Kindheit war ich fasziniert von den griechischen Sagen, doch an der Schule gibt es nur Latein.

Latein zu lernen, ist das nicht überholt?

Es geht ja nicht darum, Latein zu sprechen. Es geht um die Themen in den Texten, die gelesen werden. Und die sind absolut aktuell.

Haben Sie ein Beispiel?

In einem wissenschaftlichen Seminar habe ich mich mit Hate-Speech in der späten römischen Republik beschäftigt.

Wo waren solche Hassparolen zu lesen?

In Wahlkämpfen haben die Römer an Hauswände geschrieben. Aber ich habe mich mehr mit Schmähreden und Schmähgedichten befasst.

Welche gibt es denn da?

Beispielsweise die Philippischen Reden von Cicero gegen Marcus Antonius. Diesen hielt Cicero für eine Gefahr für die Republik. Er nennt ihn einen Tyrannen mit einem Gefolge von Barbaren. Dieses Barbaren-Argument rief sofort Assoziationen hervor: unzivilisiert, unrömisch. Heute würde man von Rufmord sprechen. Oder der Dichter Catull. Der zieht wüst über Cäsar und dessen Vetternwirtschaft her.

Was ist daran interessant für heute?

Schmähreden tauchen vor allem in Krisenzeiten auf. In der Spätzeit der römischen Republik gab es massive Spaltungen in der Gesellschaft, viele Kleinbauern hatten ihr Land verloren und es entwickelte sich ein städtisches Proletariat.

Hat Ihnen die Beschäftigung mit den Texten auch beim Wettbewerb genutzt?

Ja. In der ersten Runde hatte ich einen Text von Seneca zu übersetzen, in dem er sich darüber beschwert, dass die Küste vollgebaut wird. Flächenversiegelung war also schon damals ein Thema.

Wenn sich jemand so für Latein interessiert, gilt der als Nerd?

Nein. Es sind einige sehr gute Lateiner bei uns. Drei aus unserem Jahrgang sind bei dem Wettbewerb in die zweite Runde gekommen. Das gab es noch nie und ist nicht zuletzt dem Super-Unterricht unserer Lehrerin Petra Gewald zu verdanken.

Wird Latein auch Ihr Studienfach?

Nein. Da hat mich erst Soziologie interessiert, ich neige aber zunehmend zur Psychologie.

© SZ vom 19.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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