Reden wir über:Das neue Hungertuch

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(Foto: Privat)

Inge Lempp arbeitet für das bischöfliche Hilfswerk Misereor

Interview von Peter Bierl

Das bischöfliche Hilfswerk Misereor unterstützt Projekte in aller Welt. Zur Fastenzeit stellt Misereor alle zwei Jahre den Kirchengemeinden ein neues Hungertuch zur Verfügung, das zur Meditation und Auseinandersetzung mit Entwicklungsarbeit einlädt. Die Sozialpädagogin und Theologin Inge Lempp hat das Hungertuch in Türkenfeld vorstellt und über Ost-Timor berichtet, wo sie mit ihrer Familie lebt und arbeitet.

SZ: Was ist ein Hungertuch?

Inge Lempp: Es ist ein Werk, das der Künstler Uwe Appold angefertigt hat. Auf leuchtend blauem Tuch hat er Erde modelliert, die aus Gethsemane stammt, dem in der Bibel genannten Garten. Zu sehen ist außerdem ein offenes und unfertiges Haus, das auf die Enzyklika Laudato Si des Papstes vom gemeinsamen Haus verweist, an dem wir alle eingeladen sind zu bauen und Lösungen für aktuelle Krisen zu finden. Das im Zentrum ruhende Haus ist geborgen von der Liebe Gottes, symbolisiert durch einen goldenen Kreis, mit rotem Schimmer, der für Liebe und Leid steht. Das Hungertuch steht unter dem Motto "Mensch, wo bist du?" Dieses Jahr wird während der Fastenaktion gesammelt, um in dem mittelamerikanischen Land El Salvador Projekte zu finanzieren, die Jugendlichen eine Perspektive zu geben.

Aber Sie haben in Türkenfeld über Ost-Timor gesprochen.

Ja, und zwar im Rahmen einer Sonderaktion, der Soli-Brotaktion, einer Partnerschaft zwischen dem Katholischen Deutscher Frauenbund und Misereor. Dabei werden selbst gebackene oder von lokalen Betrieben angefertigte Brote während der Fastenzeit verkauft. Der Erlös kommt Projekten in Ost-Timor zugute. Ich bin 1999 dorthin gegangen, als Wahlbeobachterin beim UN-Referendum über die Unabhängigkeit von Indonesien. Seit 2005 arbeite ich als Beraterin für Projekte zwischen Misereor und lokalen Partnern in Ost-Timor sowie Teilen Ost-Indonesiens.

Was für Projekte sind das?

Das ist sehr vielfältig. Es gibt etwa Initiativen zur Stärkung von Frauen durch Einkommen schaffende Maßnahmen oder mit Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben, durch rechtliche und psycho-soziale Betreuung, oder auch solche, die Bio-Bauern und Bäuerinnen unterstützen. Außerdem fördern wir eine pädagogische Hochschule, um Grundschullehrer auszubilden.

Die portugiesische Kolonialherrschaft, die gewaltsame Besetzung durch Indonesien und der Kampf um die Unabhängigkeit haben das Land gezeichnet. Wie sieht es heute aus?

Als ich 1999 ankam, war die Angst allgegenwärtig. Das indonesische Regime betrieb vor dem Referendum eine Einschüchterungskampagne, dann eine Politik der verbrannten Erde. 80 Prozent der Gebäude in der Hauptstadt wurden zerstört. Bis heute ist Ost-Timor eines der ärmsten Länder Asiens mit einer sehr jungen Bevölkerung. Die meisten betreiben Subsistenzlandwirtschaft, bauen also an, was sie selber brauchen. Es gibt fast keine Industrie, ein bisschen Ökokaffee für den Export wird angebaut, man hofft auf Tourismus, aber dafür fehlt die Infrastruktur, und auf Investoren für Öl und Gas, nachdem Australien endlich die internationalen Regeln akzeptiert hat und das Seegebiet, in dem die Vorkommen liegen, Ost-Timor überlassen hat.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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