Puchheim:Lektion in Sachen Mitgestaltung

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Bürger dürfen sich zur Demokratie äußern. Dieses Angebot nehmen vor allem Vertreter von Parteien und anderen Organisationen wahr. Dennoch ist die Veranstaltung im Puc ein guter Anfang

Von Florian J. Haamann, Puchheim

Was für ein metaphorisches Bild. Wer sich am Samstagnachmittag dem Puchheimer Kulturzentrum nähert, der sieht von außen nicht viel. Klobig steht der Bau aus den Neunzigerjahren da, nicht gerade sexy, aber funktional. Schwere, geschlossene Türen ermöglichen den Zugang, sind aber keine offene Einladung, Glasfassaden ermöglichen einen verschwommenen Blick nach innen. Es gibt kein großes Banner, das nach dem Besucher zuruft, was ihn im Inneren erwartet. Vielmehr ist es nur ein Verkehrsschild, das die Geschwindigkeit auf zehn Stundenkilometer beschränkt, mit dem Hinweis "Veranstaltung", das andeutet, dass hier möglicherweise Bemerkenswertes passiert.

Wer sich traut, die schwere Tür zu öffnen und sich ins Innere wagt, der trifft unvermittelt auf emsige Betriebsamkeit. Politiker verschiedener Parteien treffen auf Interessengruppen und Bürger, Menschen gesetzteren Alters beobachten herumwuselnde Kinder. Genau darum geht es bei der "Langen Nacht der Demokratie" mit knapp 50 Veranstaltungen an einem Abend und Ort in Puchheim: Bei den Bürgern ein Bewusstsein für die Demokratie zu schaffen, die von außen zwar nicht immer wie ein funkelnder Diamant wirkt, im Inneren aber die Gesellschaft zusammenhält und für alle Menschen da sein will.

Es wurde nicht nur geredet, sondern es gab auch Mitmach-Angebote. (Foto: Günther Reger)

Welche Themen also sind es, die die Besucher in ihrer Beziehung zur Demokratie wirklich bewegen? Dazu gibt eine Umfrage im Foyer des Puc erste Anhaltspunkte. Sieben Säulen haben die Veranstalter aufgestellt, anhand von bunten Bällen, die sie zu sieben Themen einwerfen, können die Besucher ihre Präferenzen ausdrücken. Freilich ist das keine repräsentative Umfrage, aber vielleicht lassen sich aus ihr vielleicht doch Handlungsoptionen für die Politik ableiten. Die höchste Ball-Säule findet sich beim Thema "Meinungs- und Versammlungsfreiheit". Es folgt "Vereine und ehrenamtliches Engagement". Bemerkenswert ist, dass bei "Parteien und Wählergruppen" die wenigsten Bälle eingeworfen sind. Wichtig sind den Teilnehmern auch "Bürgerbeteiligung" und "Kommunalwahlen". Was also heißt das für die Demokratie? Das es mehr direkte Beteiligung geben sollte? Dass Bürger sich von Parteien nicht mehr ausreichend vertreten fühlen, zumindest auf Bundes- und Landesebene? Antworten darauf muss die Stadt, die die Veranstaltung gemeinsam mit der Hanns-Seidel-Stiftung organisiert hat, nun finden, wenn sie die Beteiligung der Besucher an diesem Abend ernst nehmen will.

Jens Tönjes, geschäftsleitender Beamter der Stadt Puchheim, ist verantwortlich für die Organisation der Demokratienacht. Er sieht die Gefahr, der die Demokratie durch Angriffe vor allem von Rechtspopulisten ausgesetzt ist. Ihm ist klar, dass durch so eine Veranstaltung wohl kein Demokratieskeptiker direkt wieder zurück gewonnen wird. "Aber es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, und dass Demokraten aktiv an der Gestaltung teilnehmen müssen." Mit dem Verlauf und der Beteiligung an dem Abend ist er vollauf zufrieden. Etwa 150 Menschen seien permanent im Puc unterwegs gewesen, auf die ganze Zeit gerechnet eine Zahl, die die Erwartungen weit übertroffen habe. Dennoch gebe es noch viel zu tun. "Wir müssen es schaffen, die Menschen zu mobilisieren, die sonst nicht an so etwas teilnehmen. Es sind schon viele Parteienvertreter und Mitglieder ehrenamtlicher Organisationen hier." So müsse man versuchen, mehr Migranten für eine aktive Gestaltung der politischen Prozesse zu gewinnen. "Viele dürfen zwar auf Landes- und Bundesebene nicht wählen, aber sie können mitgestalten. Deswegen müssen wir niederschwellige Angebote schaffen", sagt Tönjes.

Bei der Langen Nacht der Demokratie waren auch Cartoons von Papan zu sehen. (Foto: Günther Reger)

Eine Gruppe, die an diesem Abend explizit angesprochen werden soll, sind die Kinder und Jugendlichen. Schaut man sich das Treiben in den Räumen an, ist das Konzept durchaus aufgegangen. So gibt es mehrere Veranstaltungen, die sich direkt an den Nachwuchs richten. Im Foyer etwa ist ein Stand des Kinderschutzbundes aufgebaut. Dort dürfen Kinder Buttons mit ihren offiziellen Rechten drucken und formulieren, was sie sich für die Zukunft wünschen. Das Spektrum ist erwartbar breit. Von Umweltthemen bis hin zum Wunsch, den Numerus Clausus abzuschaffen und keine Hausaufgaben mehr zu geben, um die Freizeit selbst gestalten zu können, ist alles dabei. "Es ist meine feste Überzeugung, dass wir Kindern und Jugendlichen eine feste Wertehaltung mitgeben müssen, weil sie diejenigen sind, die irgendwann für die Demokratie einstehen müssen", sagt Organisator Tönjes dazu. Ihm ist klar, dass so eine Veranstaltung nur der Anfang sein kann: "Wir müssen jetzt weitermachen. In welchen Formaten, das werden wir sehen".

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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