Protest mit Kufen:Eiskalt erwischt

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Nach einer Demonstration vor dem Brucker Rathaus verfolgen mehr als hundert Menschen, wie die Politikeraller Fraktionen die Weichen für den Bau einer Eishalle stellen. 2019 wird mit konkreten Planungen begonnen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Ob der Protest von mehr als hundert Eissportlern vor dem Rathaus oder ihr anschließendes Ausharren auf den Zuschauerrängen des Sitzungssaals den Politikern die Entscheidung erleichtert hat oder nicht, lässt sich kaum klären. Fest steht, dass sich der Finanzausschuss am Dienstag ganz klar zum Bau einer Eishalle bekannt hat. Dem Stadtrat wurde einstimmig empfohlen, 2019 für Planungen einen Betrag von 300 000 Euro zu reservieren. Wann genau gebaut wird, bleibt freilich offen. Immerhin soll möglichst noch in diesem Jahr ein geeigneter Standort gefunden werden. Nicht durchsetzen konnte sich die SPD-Fraktion mit der Forderung, durch den Verzicht auf die Turnhalle im Westen finanziellen Spielraum für die Eishalle und einen möglichen Baubeginn bereits 2020 zu gewinnen. Eisläufer und Eishockeyspieler sprachen dennoch von einem wichtigen Schritt.

Politiker unter Beobachtung: Eisläufer und Eishockeyspieler klappern vor dem Rathaus mit Schlittschuhkufen und skandieren: "Eishalle, Eishalle". (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zum Sitzungssaal gelangen die Stadträte am Dienstagabend nur, wenn sie sich durch das Spalier der vielen friedlichen Demonstranten wagen. Ganze Schüler- und Jugendmannschaften sowie viele erwachsene Eishockeyspieler in ihren Trikots sind gekommen, die meisten gehören dem Eislaufverein (EVF) oder dem Eis- und Rollsportclub (ERCF) an, die zusammen fast tausend Mitglieder zählen. Sie skandieren im Chor: "Eishalle, Eishalle", halten selbstgebastelte Pappschilder hoch mit Aufschriften wie "Heiß auf Eis", "Dach überm Kopf" oder den in krakeliger Schrift gefassten Vorwurf, bei Oberbürgermeister Klaus Pleil habe die Eishalle Priorität genossen, stehe nun aber bei seinem Nachfolger "an letzter Stelle". Dazu werden die Stahlkufen der Schlittschuhe lautstark gegeneinandergeschlagen. Stadträtin Beate Hollenbach, die selbst der Fraktion der angeblich "blockierenden" CSU angehört, hat ebenfalls ihre Schlittschuhe mitgebracht. Sie unterstütze die Forderungen, Bruck brauche dringend eine Eishalle als Ersatz fürs offene Eisstadion.

Die Eisläufer und Eishockeyspieler harren zwei Stunden im Sitzungssaal aus, bis OB Raff (unten, rechts) den Punkt aufruft. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die will auch Tobias Holbeck, Sprecher eines jüngst gegründeten Fördervereins, der mehr als 500 Unterschriften gesammelt hat, um das Thema per Bürgerantrag im Stadtrat auf den Tisch zu bringen. Die Liste soll in der nächsten Woche an Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) übergeben werden. "Wir brauchen die Eishalle ganz dringend", sagt Holbeck in den Applaus seiner Mitstreiter hinein. Und er listet auf, warum das so ist: Jährlich um die 40 000 Teilnehmer beim offenen Publikumslauf, täglich bis zu 180 Jugendliche beim Schulsport, dazu die ganzen in den Wintersportvereinen organisierten Brucker - vom Fünfjährigen bis zum Senior. Und auf der anderen Seite: Eine buchstäblich dahinschmelzende Freiluftsaison, 30 Prozent ausfallende Trainings- und Publikumslaufzeiten. "Dieses Jahr ging es acht Wochen später los", sagt Holbeck. So könne das nicht mehr weitergehen. Ob nun eine Eishalle neben das Eisstadion gebaut wird oder dieses ersetzt oder auch auf dem Fliegerhorst gebaut wird - alles in Ordnung, sofern das sehr schnell passiert "und nicht erst in 15 Jahren". Auch deshalb, weil der Eishockeyverband neue Regelungen für den Ligabetrieb aufgestellt hat und höherklassige Vereine bald zu einem Trainingsbetrieb von 1. September bis 30. März verpflichtet.

Sportbeirat Herbert Thoma steht gut gelaunt am Rand. Er habe gewiss nichts gegen eine Eishalle. Allerdings dämpft der langjährige TuS-Präsident die Euphorie. Die um die zehn Millionen Euro teure Halle lasse sich ja vielleicht mit Hilfe von Zuschüssen bezahlen. "Aber die Betriebskosten sind das Problem." Diese würden sich im Lauf der nächsten 20 Jahre auf ein Mehrfaches der Erstinvestition summieren, sagt Thoma.

Die Finanzen sind es denn auch, die etwas später bei den Haushaltsberatungen im Fokus stehen - unter den kritischen Augen von immer noch um die hundert Zuschauern, darunter viele Kinder. Sie harren fast zwei Stunden aus, bis der Punkt Eishalle an der Reihe ist. Da zeigt sich, dass die Politiker durchaus gewillt zu sein scheinen, die entsprechenden Weichen zu stellen. Finanzreferent Walter Schwarz (SPD) hofft nach dem Abzug der Bundeswehr, die Sporteinrichtungen auf dem Fliegerhorst nutzen zu können und hält deshalb die Turnhalle im Westen für verzichtbar. Den städtischen Beitrag von 4,5 Millionen Euro würde er lieber für die Eishalle verwenden. Mag Schwarz ein weiteres Vertrösten der Eissportler auch als "nicht mehr zumutbar" empfinden, für seinen griffigen Slogan "Eishalle vor Sporthalle" reichlich Applaus von den Zuschauern ernten und Klaus Quinten (BBV) ein wenig ins Grübeln bringen - letztlich stimmt ihm nur seine Fraktionskollegin Claudia Calabrò zu. CSU-Fraktionschef Andreas Lohde und Dritte Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) lasten ihm in ungewohnter Einstimmigkeit den Versuch an, mehrere Fürstenfeldbrucker Vereine gegeneinander auszuspielen. Alles deutet also darauf hin, dass von 2019 bis 2022 die Turnhalle und dann erst die Eishalle gebaut wird.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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