Porträt:Sucher und Sammler

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Jahr für Jahr durchstöbert Reiner Götz die Amper nach wertvollen oder interessanten Funden. Zuhause restauriert er die Gegenstände und führt sie einer neuen Verwendung zu

Von Luca Thiel, Fürstenfeldbruck

Das Wohnzimmer erinnert an das Innere eines Museums. In der einen Ecke steht ein tibetanischer Teetisch mit einem goldenen Drachen. Auf einem Biedermeier-Nähtisch liegt der Schädel eines Bibers. Der Wandschrank ist gefüllt mit einer Sammlung antiker Medaillons, altem Gartenwerkzeug, Medizin- und Tintenfläschchen, Münzen und allerlei anderem "Edeltrödel", wie Reiner Götz seine Besitztümer nennt. Der Wandschrank, für ihn eine Installation, zeigt nur einen Bruchteil der Gegenstände, die der 54-Jährige in den vergangenen 30 Jahren gesammelt, getauscht, gekauft oder geschenkt bekommen hat. Der Brucker bezeichnet sich selber als einen Sucher und Verwerter. Jeden Sommer macht er sich bei Niedrigwasser in der Amper auf die Suche nach Objekten, die von ihm gefunden werden wollen. "Der niedrige Wasserpegel dieses Jahr kam mir sehr entgegen", erzählt Götz. Diesen Sommer war er etwa 20 Mal für jeweils drei bis vier Stunden in der Amper, die direkt an seinen Garten grenzt, unterwegs. Durch jahrelange Erfahrung könne er sofort erkennen, wenn zwischen den Steinen im Wasser ein Fremdkörper liegt oder im Boden steckt.

In der Amper Richtung Stadtgebiet und Emmering geht er hin und her, bis er dann mit seinen Funden zur Terrasse seines Hauses zurückkehrt. In dem Haufen der diesjährigen Ausbeute finden sich unter anderem Keramikteile, eine Uhr, ein Puppenschuh und ein Eiffelturm-Souvenir. "Der Müll wird entsorgt, der Rest wird verwertet", so die Devise. Die Bruchstücke von Keramikvasen gehen an einen Blumenladen, der diese als Deko für seine Pflanzen benutzt. Eine Gärtnerei erhält gefundenes Besteck und Eisenteile, um daraus Gestecke zu fertigen. Mit den übrig gebliebenen Gegenständen schmückt der Sammler sein Haus aus oder er verkauft und tauscht sie im Internet, auf dem Flohmarkt oder in einigen Regalen des Brucker Flohkaufs.

Zwanzig Suchgänge hat Rainer Götz in diesem Jahr unternommen. Die Funde lagert er auf seiner Terrasse, bis er sie sortiert und Brauchbares von Dreck und Rost befreit. (Foto: Günther Reger)

Götz war 13 Jahre alt als er mit dem Sammeln angefangen hat. In einem Fluss in Südtirol habe er einen rostigen Gegenstand entdeckt, den er mit einem Stock ausgraben hat. "Nach halbstündiger Buddelei habe ich, wie ich später durch Recherche herausgefunden habe, eine gotische Lanzenspitze freigelegt". Seitdem schaue er sich jeden Rost genauer an. Vor zwei Jahren hat er in der Nähe des Deichenstegs sogar eine Panzergranate gefunden. Das Gebiet wurde gesperrt und das Sprengschutzkommando rückte an. Die Granate sei zum Glück unscharf gewesen.

Götz kommt aus dem Garten in das Wohnzimmer zurück, in seiner Hand die Hülse einer anderen Panzergranate. Das Objekt ist in etwa groß wie sein Unterarm. "Die Hülse habe ich auch mal in der Amper gefunden. Daraus kann man zum Beispiel eine Blumenvase machen", so der Wiederverwerter. Wenn Götz auf der Straße oder im Park unterwegs ist, findet er oft leere Schneckenhäuser. Er vergoldet sie, bohrt ein Loch hinein, zieht einen Faden durch und verkauft es dann als Weihnachtsdeko.

Auch kleine Figuren sind dabei. (Foto: Günther Reger)

Das Sammeln, Aufbereiten und Reinigen und der anschließende Handel seien für Götz eine Art der Meditation. Wenn er das Fundstück reinigt, zum Beispiel verrostetes Werkzeug, macht er sich Gedanken darüber, welche Geschichte dahinter steckt. Also wie das Objekt zum Fundort gekommen ist, wieso es dort lag und wer es in der Vergangenheit benutzt hatte. Manchmal findet der Sammler Dinge, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Dann recherchiert er im Internet oder tauscht sich auf Märkten mit Gleichgesinnten aus, bis er den Namen und die Funktion rausgefunden hat. Bis es zur erfolgreichen Identifikation kommt, nennt der Sucher das Fundstück "UFO", also unbekanntes Fundobjekt. Bisher hat er den Großteil seiner Sammlung selbst identifiziert, sein Wissen darüber ist beeindruckend. "Learning by doing" ist dabei sein Motto. Die Faszination mit der er seine Sammlung beschreibt und erklärt ist seinen Worten deutlich zu entnehmen.

Trotz allem reiche der Handel mit den gesammelten Gegenständen nicht aus, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er lebe hauptsächlich von seinen eigenen Ersparnissen aus der Zeit als Kommunikationsdesigner und von Spenden. "Ich versuche so wenig Geld wie möglich auszugeben", sagt Götz. Miete müsse er nicht zahlen, das Haus das er gemeinsam mit seinem Kater Ernie bewohnt sei ihm vererbt worden. Die Philosophie des Minimalismus trage aber natürlich stark dazu bei, dass er sich trotz seines geringen Einkommens über Wasser halten kann. Und auch die Spenden oder Geschenke helfen ihm hierbei.

Immer wieder macht er interessante Entdeckungen, vom historischen Tankstellenschild bis hin zu Munition aus einem der Weltkriege. Einmal musste deshalb sogar ein Sprengschutzkommando anrücken. (Foto: Günther Reger)

In diesem Jahr hat Reiner Götz eine Tonfigur in Form eines Kleinkindes in der Amper gefunden. Er vermutet, dass sie dem Besitzer entwendet und anschließend im Fluss entsorgt wurde. Falls jemand so eine Figur vermisst, dann könne er sich bei Götz melden, versichert er, damit sie wieder zum Besitzer zurück kommen kann.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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