Jahresrückblick (Folge 3):Der Bürger hat das Wort

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Das Bündnis "Fürstenfeldbruck ist bunt - nicht braun" demonstriert am 24. Oktober vor dem Gasthaus auf der Lände gegen eine Veranstaltung der AfD. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wenn den Menschen im Landkreis etwas nicht passt, greifen sie ein. Und gehen gegen die Rechten auf die Straße

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Sich aufregen über eine Sache, geht recht schnell. Doch die Argumente dafür oder dagegen zu formulieren, sich Mitstreiter oder Betroffene zu suchen, um einen Missstand abzustellen, ist weniger einfach. In die Politik einzugreifen, ohne ein Amt inne zu haben, war so lange schwer, so lange es kein Instrument der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene gab. Seit zwei Jahrzehnten aber haben die Bürger Bayerns die Möglichkeit über eine Begehren zum Bürgerentscheid zu kommen und so Korrekturen vorzunehmen. Die Freiheit, dies zu tun, nehmen sich auch im Landkreis immer wieder Menschen, die nicht einverstanden sind mit den Entscheidungen der Volksvertreter. Aktuelles Beispiel des Jahres 2016: das Bürgerbegehren gegen die Bebauung der Klosterwiese mit Asylunterkünften in Adelshofen - das im Entscheid keine Mehrheit fand - oder die Entscheidung in Grafrath, ein Gewerbegebiet nicht ins Landschaftsschutzgebiet zu vergrößern.

Politische Beteiligung wird, wie sich in den vergangenen Jahren immer stärker zeigt, meist dann für die Menschen interessant, wenn sie eigene Interessen berührt sehen. Im Jahr 2016 aber hat sich gezeigt, dass die Bürger im Landkreis aufmucken, wenn sich eine politische Tendenz nach rechts stärker entwickelt. Dass es dabei wie selbstverständlich zu Demonstrationen kommt, wenn der sogenannte Dritte Weg oder die AfD Veranstaltungen organisieren, ist nicht mehr nur den Parteien links der Mitte zuzuschreiben. Wie eine Kundgebung gegen den Auftritt des Publizisten Jürgen Elsässer im November gezeigt hat, trägt ein breites bürgerliches Bündnis seine Bedenken gegen den Populismus öffentlich vor. Dass sich dabei auch Hans Well mit den Wellbappn und die von Well und der Biermösl-Blosn Jahrzehnte lang verhöhnte CSU zusammenfinden, lässt so manche Beobachter staunen.

Im Januar nimmt sich der Kreisverband der Grünen des Themas der neuen Rechten an und berät Vorgehensweisen. Die bayerische Landtagsabgeordnete Katharina Schulze und Sebastian Binder, Experte der von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, referieren, woraus sich die Rechten speisen und warnen: "Der Rechtsextremismus ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Das sagen sie nicht ohne Hintergrund. Laut einer aktuellen Studie der Universitär Leipzig haben 33 Prozent der Menschen im Freistaat Bayern rassistische Ansichten. Auch der Antisemitismus nimmt zu.

Welchen Anteil die Rechtsgesinnten im Landkreis ausmachen - dafür gibt es keine belastbaren Zahlen. Als am 16. Juli, einem Samstag, 15 Mitglieder der rechtsextremen Partei "Der dritte Weg" vor der Sparkasse in Fürstenfeldbrucks Innenstadt aufmarschieren und ihre Plakate mit dem Slogan "Stoppt die Asylflut - keine Asylanten in meiner Nachbarschaft" hochhalten, stehen ihnen etwa 80 Demonstranten nicht nur aus dem linken Spektrum gegenüber. Freilich sind die Grünen dabei, aber auch Mitglieder der Brucker Bürgervereinigung, des katholischen Brucker Forums und der Kirchengemeinden. Weil der Aufruf zur Gegendemonstration via Facebook veröffentlicht wurde, schließen sich spontan auch einige Passanten an, die über das soziale Netzwerk davon erfahren haben.

Ganz anders organisiert sich der Widerstand gegen rechtsextreme Ansichten in Gröbenzell. Jürgen Elsässer wird am 17. November bei einer Veranstaltung der AfD sprechen. Ein Publizist, der genau das tut, was in die Strategie der Alternative für Deutschland passt: provozieren. Er spricht im Bürgerhaus vor etwa 150 Zuhörern über den für Europa angeblich gefährlichen Islam, während sich draußen auf der Rathausstraße gut 500 Menschen versammeln, die die Ansichten Elsässers überhaupt nicht teilen.

Die etablierten Parteien haben zu der Demonstration aufgerufen, die Kirchen sind dabei, Gewerkschaft, Bund Naturschutz und der VdK. Im Wahljahr 2017 erst wird sich zeigen, wie breit solche Bündnisse wirklich sind und welche Bürger in Zukunft das Wort führen.

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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