Platz für die Natur:Blühender Landkreis

Lesezeit: 3 min

In Emmering legen Mitarbeiter von Bauhöfen eine Magerwiese an. Auch in anderen Gemeinden sollen Flächen naturnah gestaltet werden, auch um Insekten Nahrung zu bieten

Von Ingrid Hügenell, Emmering

Mit Schaufeln, Rechen und Grabgabeln bearbeiten an die 60 Leute die flache Böschung vor dem Johanniter Kinderhaus an der Amper in Emmering. Die etwa 130 Quadratmeter große Fläche ist die erste, an der die Naturgartenplaner Reinhard Witt und Katrin Kaltofen zeigen, wie eine Blühfläche angelegt wird. Gekommen sind an diesem sonnigen Oktobermorgen Bauhof-Mitarbeiter des Landkreises und aller Gemeinden, die sich am Projekt "Brucker Land blüht auf" beteiligen. Emmering ist Beispielgemeinde. Gemeinderäte aus Emmering und Verwaltungsleute einiger Gemeinden sind da, ebenso Vertreter der Solidargemeinschaft Brucker Land, die das Projekt ins Leben gerufen hat.

Alle haben zu Beginn einen Vortrag des Naturgartenplaners Witt über naturnahe Flächen gehört. Sie müssen weniger gemäht und nicht jedes Jahr neu angelegt oder bepflanzt werden. An diesem Tag erklären er und Kaltofen auf den Flächen in Emmering verschiedene Techniken. Ein Jahr lang kommen sie dann immer wieder in den Ort, um die richtige Schnittart und weitere Pflegeschritte zu erklären. Die anderen Gemeinden sollen das auf ihren Flächen nachmachen. Die Pläne dafür haben ebenfalls Witt und Kaltofen erstellt.

Reinhard Witt lässt die Pflanzhelfer an der Bergminze schnuppern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mit so vielen fleißigen Händen ist am Kindergarten schnell der Kompost in die Kiesmischung eingearbeitet, das ergibt den Boden, auf dem eine Magerwiese gedeihen soll. Die Planer halten die Kiesmischung für etwas zu grob. Große Steine könnten das Mähen erschweren. Die Kinder sollen die größten Brocken herausholen und in ihrem Garten zu einem Steinhaufen aufschichten. Der könnte Tieren als Unterschlupf dienen. So seien die Buben und Mädchen gleich selbst an der Umwandlung ihrer Wiese beteiligt, sagt Witt. Dass im Herbst gepflanzt und gesät wird, hat Vorteile: Es muss nicht gegossen werden, weil es ohnehin meist feucht genug ist. Und die Samen, die Frost brauchen, um keimen zu können, bekommen den gleich ab. Witt erklärt, was passiert, wenn man eine offene Fläche im Siedlungsbereich einfach liegen lässt: Dann wüchsen darauf nur Gras, Klee, Melde und Weide. Schöne Blumen bekomme man so nicht, denn die kämen ja auch außen herum nicht vor.

Als alles gleichmäßig gerecht ist, werden einzelne Pflanzen eingesetzt, eine pro Quadratmeter. Diese Initialstauden blühen schon im kommenden Jahr, so dass die Fläche gleich gut wirkt. Denn manche der Pflanzen, die später gesät werden, brauchen ihre Zeit bis zur Blüte. Witt lässt die Arbeiter reihum an der Bergminze riechen. Sie duftet nicht nur sehr angenehm, sondern blüht auch lange, bis in den späten Herbst hinein, und spendet zahlreichen Insekten Nektar. Das ist der Sinn der Aktion des Brucker Lands: dem Insektensterben durch die Anlage von Blühstreifen entgegen zu wirken. Verwendet werden fast ausschließlich einheimische Arten, die nicht nur ein, sondern viele Jahre blühen sollen.

Die Samen für die Magerwiese, darunter Lein und Steppen-Salbei, liegen bereit. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Gepflanzt werden neben der Bergminze auch Gelber Lein, Büschelglockenblume und weitere Arten. Witt hebt die Bedeutung der Glockenblume hervor, die vielen Wildbienen-Arten einen Lebensraum biete. Das Mannstreu, auch Edeldistel genannt, locke hingegen vor allem Schmetterlinge und Hummeln an. "Jede Pflanze bringt eigene Tiere mit", erklärt er. Die einfache Formel lautet: Je mehr Pflanzenarten, desto mehr Tierarten. Die Bauhof-Mitarbeiter gehen sehr systematisch vor, so dass die Pflänzchen nachher in Reih' und Glied auf der Fläche stehen. Nun kommen Blumenzwiebeln in den Boden: blau blühender Wildlauch, Traubenhyazinthen, Milchstern, wilde Tulpen und Blaue Anemonen. Die sind nicht alle heimisch, füllen aber im zeitigen Frühjahr eine Futterlücke und dürfen deshalb in die Magerwiese. Im Gegensatz zu gezüchteten Tulpen blieben die wilden lange auf der Fläche erhalten und vermehrten sich selbst, sagt Witt.

Leonhard Högenauer vom Emmeringer Bauhof hat erst am Tag zuvor in Blumenbeete am Friedhof solche großblütigen Tulpen versenkt und Stiefmütterchen gepflanzt. Ihn habe die Blühflächen-Aktion von Anfang an überzeugt. "Ich seh's positiv", sagt der gelernte Landwirt. Sein Kollege Rudi Schnell kennt die Fläche am Kindergarten. Die sei bisher echt schwierig zu mähen gewesen, sagt er. "Jetzt ist es viel schöner." Michael Hillebrand ist skeptisch. "Ich glaube, dass es nachher doch mehr Arbeit ist, als angepriesen wird", sagt er.

Bevor gepflanzt wird, gibt es eine ausführliche Erklärung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Während die meisten Arbeiter weiterziehen, um beim Bürgerhaus eine Kiesfläche in einen blühenden Saum mit Königskerzen, Wegwarte und violetten Nickenden Disteln zu verwandeln, bleibt Katrin Kaltofen am Kinderhaus. Sie sät eine Magerwiesen-Mischung und einige Einzelarten wie Natternkopf und Bittere Schleifenblume aus. Leonhard Kandler vom Emmeringer Bauhof geht ihr dabei zur Hand.

Er macht sich Sorgen um die Sicherheit: Bei Verkehrsinseln dürfe der Bewuchs nicht zu hoch sein, damit auch Kinder darüber schauen könnten, sagt er. Darauf werde geachtet, versichert Katrin Kaltofen. Es gebe entsprechende Mischungen niedriger Pflanzen. Kandler fürchtet auch, dass Kinder von Bienen gestochen werden könnten. Kaltofen weist darauf hin, dass Wildbienen viel seltener stechen als Honigbienen. Einwände sind nicht ungewöhnlich. Ob es wirklich Probleme gibt, wird man im kommenden Jahr sehen können. In Emmering werden etwa 15 000 Quadratmeter in blühende Flächen umgewandelt. Im ganzen Landkreis werden es noch viel mehr.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: