Passionswoche:Blick hinter die Verhüllung

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In den Tagen vor Karfreitag werden die Kruzifixe in den Kirchen verhängt. Der Brauch stammt aus der Romanik

Von Julia Abspacher, Fürstenfeldbruck

Wenn zum Ende der Fastenzeit hin die Kreuze und Kruzifixe mit Tüchern umhüllt und verhängt werden, dann ist das fast so, als lege sich ein dunkler Schleier auf die sonst oft so strahlenden Kirchenräume. Es fehlt einfach etwas. Und nicht nur etwas, sondern eines der Hauptsinnbilder des Christentums. Der Brauch, Kreuze und Kruzifixe - also Kreuze, die den Corpus des gekreuzigten Christus tragen - zu verhüllen, stammt aus einer Zeit, in der vor allem Triumphkreuze mit dem strahlenden Heiland in erhabener Haltung verbreitet waren. Die aufwendig und edel verzierten Schmuckstücke passten nicht zur Zeit im Kirchenjahr, die das Leid und den Tod Christi begleitet. Vor allem in der Romanik, der Epoche in der erstmals überhaupt die Kombination von Kreuz und Corpus populär wurde, waren diese positiven Darstellungen des lebendigen, fast schwebenden Jesus mit Königskrone in Mode. Im Laufe der Zeit wandte sich die Kunst jedoch immer mehr einem realistischeren Bild des leidenden oder schon toten Christus zu. Auch der Barock, die Kunstepoche, der die meisten Kreuze und Kruzifixe im Landkreis zuzuordnen sind, tendiert zu einer schmerzensreichen Gestaltung des Gekreuzigten, bis hin zur extremen Form des Faustkruzifixes, wie es etwa in Luttenwang zu finden ist.

Dunkler Schleier: Die Verhüllung des Kreuzes über dem Altar, wie auf dem Bild von der katholischen Don-Bosco-Pfarrkirche in Germering, nimmt vielen Innenräumen von Gotteshäusern den strahlenden Eindruck. (Foto: Johannes Simon)

Von Ort zu Ort unterschiedlich werden die Kreuze und Kruzifixe am Passionssonntag, dem fünften Sonntag der Fastenzeit und damit eine Woche vor dem Palmsonntag, spätestens aber am Abend des Gründonnerstags verhüllt. Erst während oder nach dem Karfreitagsgottesdienst werden die violetten Tücher wieder entfernt und die Kreuze, gleichsam dem Auferstandenen, der Gemeinde wieder geschenkt. Die Kreuzverehrung bildet am Todestag Jesu den Mittelpunkt der Liturgie. Grund genug, sich einmal ausführlicher mit den Kreuzdarstellungen zu befassen.

Großes Kreuz Kloster Fürstenfeld

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(Foto: Johannes Simon)

Das eigentlich spätgotische Kreuz beherrscht durch seinen Standort am vorderen Kreuzaltar den gesamten barocken Kirchenraum. Bevor es diesen Bestimmungsort erreichte war es vermutlich Teil eines Hochaltares, aus dem es aber entnommen und für den jetzigen Kreuzaltar wiederverwendet wurde. Das hölzerne Kreuz wurde für diese neue Funktion in Holz neu gefasst. Unter dem gekreuzigten Jesus findet sich zu seinen Füßen der bereits auferstandene Heiland.

Gründerkreuz Kloster Fürstenfeld

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(Foto: privat)

Aus unterschiedlichen Epochen stammen das Kreuz und der Corpus eines der ältesten Kreuze im Landkreis. Während der Hintergrund bereits im 13. Jahrhundert gefertigt wurde, wurde die Christusfigur im 19. Jahrhundert angebracht, ist mittlerweile aber auch selbst historisch. Kleine Löcher weisen auf die Vergangenheit des Kreuzes als Gemmenkreuz hin, solche waren reich mit Edelsteinen und Perlen verziert. Heutzutage ist von diesen aber nichts mehr zu sehen.

St. Leonhard Fürstenfeldbruck

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(Foto: Johannes Simon)

Einen besonderen Platz hat das Kruzifix in der gotischen Kirche St. Leonhard gefunden. Hoch über den Köpfen der Besucher hängt es im Chorbogen - ein Trick, um auch relativ große Kreuze im Kirchenraum unter zu bringen, ohne den Blick auf den Hochaltar zu versperren. Außerdem symbolisiert diese Position im Triumphbogen auch die Überzeugung, dass Jesus durch sein freiwilliges Opfer auch für die nachfolgenden das Tor zum Himmel aufgestoßen hat.

St. Bernhard Fürstenfeldbruck

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(Foto: Johannes Simon)

In der Pfarrkirche im Fürstenfeldbrucker Westen ist das Kreuz wahrhaft ein Teil des Gotteshauses. Inmitten des modernen Glasfensters des Münchener Künstlers Josef Dering aus den 60er Jahren bildet es den Hintergrund des Kirchenraums. Durch das Glas, das im Bereich des Kreuzes im Gegensatz zum Rest der Rückwand nicht farbig oder milchig ist, fluten Sonnenstrahlen den sonst schlichten Kirchenraum und bringen das Symbol voll zur Geltung.

Kalvarienberg Wenigmünchen

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(Foto: Johannes Simon)

Im größeren Kontext wird das Kreuz in der Gemeinde St. Michael präsentiert. Unter freiem Himmel kann die Kreuzigungsszene lebensgroß betrachtet werden. Neben Christus am Kreuz finden sich die beiden gekreuzigten Schächer, zu seinen Füßen weitere Figuren des Geschehens auf dem Berg Golgota. Unter ihnen ist beispielsweise auch Longinus, der mit seinem Speer dem toten Jesus in die Seite stach um seinen Tot festzustellen.

Mariä Heimsuchung Brandenberg

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(Foto: Johannes Simon)

Wer sich nach Brandenberg aufmacht, findet in dem kleinen Örtchen ein echtes Kleinod. In der mittelalterlichen Kapelle findet sich nicht nur ein Kruzifix, sondern ein für ihre kleine Größe auch aufwendiger und schmuckvoller Kreuzweg. Die drei Endpunkte des beherrschenden Kruzifixes laufen leicht Kleeblattförmig aus. Diese Teilung der Endköpfe sollte zusätzlich die Dreifaltigkeit vom Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist unterstreichen.

Mariä Himmelfahrt Luttenwang

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(Foto: Johannes Simon)

Eine Legende rankt sich um Faustkruzifixe, von denen eines ganz im Westen des Landkreises zu finden ist. In dieser Form der Kreuzigungsdarstellung sind die Wunden Christi besonders deutlich. Angeblich hat der Teufel Faust in einer Vision das wahre Geschehen auf dem Hügel Golgota gezeigt, und die grausamen Bilder haben ihn dazu bewogen, seine Seele doch nicht dem Teufel zu vermachen. Dieses Motiv findet sich ausschließlich im Barock des 17. und 18. Jahrhunderts.

Sankt Margareth Malching

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(Foto: Johannes Simon)

Eine erweiterte Kreuzigungsszene wie sie auf Kalvarienbergen im Freien zu finden ist, präsentiert auch die Kirche Sankt Margareth in Malching. Neben Jesus am Kreuz steht die Gottesmutter Maria als Mater Dolorosa oder Schmerzensmutter. Auf seiner anderen Seite befindet sich Maria Magdalena, die der Kreuzigung beiwohnte. Den Effekt der Szenerie unter freiem Himmel verstärkt das blau bemalte und mit Sternen geschmückte Himmelsgewölbe.

Erlöserkirche Fürstenfeldbruck

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(Foto: Johannes Simon)

Durch seine reine Größe beeindruckt das Kruzifix in der Kirche aus dem 20. Jahrhundert. In T-Form, als sogenanntes Antoniuskreuz, reicht es vom Altar fast bis zur Decke und verbindet beide Seiten des Altarraums. Bunt gestaltet und mit strahlenden Farben lenkt es zudem den Blick nach oben zum Glasfenster. Durch dieses kann der Betrachter gleich einer Luke zum Himmel blicken, zu dem Jesus durch seine Kreuzigung die Verbindung geschaffen hat.

Jesus-Christus-Kirche Germering

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(Foto: Johannes Simon)

Ein Kreuz ohne Corpus und einen Corpus ohne Kreuz findet man in der Kirche, die den Namen des Gekreuzigten selbst trägt. Als kleine, sehr modern anmutende Figur steht der Heiland mit ausgebreiteten Armen in der Position seines Hinscheidens auf dem Altar und wirkt, als wolle er die ganze Welt umschließen. Hinter ihm an der Kirchenwand findet sich ein golden aufgemaltes Antoniuskreuz, das seine Haltung spiegelt und das Gesamtbild komplettiert.

Zachäuskirche Gröbenzell

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(Foto: Johannes Simon)

Das Kreuz in Gröbenzell kann trotz oder vielleicht aufgrund seiner Schlichtheit, mit der es gut in den Kirchenraum passt, auf mehrere Arten betrachtet werden. Nur der Rahmen der Kreuzform ist plastisch geformt, an den Enden der Balken wir das Kreuz leicht dicker, wie das stärker ausgeprägt auch beim Byzantinischen Kreuz der Fall ist. Durch den Hohlraum in der Mitte entsteht aber auch ein zweites Kreuz, dass nur durch den negativen Raum erst sichtbar wird.

Bonhoeffer-Kirche Germering

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(Foto: Johannes Simon)

Die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche zeigt ein bescheidenes Kreuz und ein außergewöhnlicheres Kruzifix im Einklang nebeneinander. Das kleine Kruzifix auf dem Altar wandelt außerdem die Größenverhältnisse der meisten Darstellungen um. Während normalerweise der Corpus breiter als die Balken ist und diese zum größten Teil verbirgt, ist hier die Figur sehr minimalistisch und schmal gehalten und wird vom breiten Kreuz im Hintergrund fast erdrückt. Texte: juab

Denn Kreuz ist nicht gleich Kreuz. Neben den bekanntesten Vertretern wie lateinischem, Petrus- und Andreaskreuz finden sich zahlreiche weitere Kombinationen von Längs- und Querbalken, wobei das klassische Passionskreuz freilich überwiegt. Beim Kruzifix, das weitaus häufiger in den Kirchen zu finden ist als sein schlichterer Bruder, finden sich noch zahlreichere Variationen. In den früheren romanischen Versionen wird Jesus mit nebeneinander liegenden Füßen ans Kreuz geschlagen, später wird nur noch ein Nagel für beide Füße verwendet. Auch im Material finden sich große Unterschiede, mal ist das Kruzifix aus kostbaren Gold gefertigt, mal nur aus nicht bemaltem, natürlichem Holz. Je mehr die Kirche das Monopol auf die künstlerische Gestaltung verlor, desto vielfältiger wurden die Darstellungen. Vor allem in Kirchen, die erst im 20. Jahrhundert entstanden sind, gibt es oft ganz eigene Interpretationen des Kreuzmotivs. In Germering beispielsweise finden sich Kruzifixe, die zum Teil kaum noch als solche zu erkennen sind und ihre ganz eigene Formensprache entwickeln. Aber auch unter den vielen barocken und spätgotischen Kreuzen gibt es eine Vielzahl interessanter Exemplare, da kein Kreuz wie das andere ist. Oft gibt es Hintergrundgeschichten, kleine Anekdoten oder vielleicht auch Legenden, die den besonderen Reiz ausmachen.

So uneinig sich die Epochen und Künstler über die Darstellungsformen sind, so einig sind sie sich darüber, wo sich das Kruzifix in einer Kirche zu befinden hat. "Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus", findet sich im zweiten Brief des Paulus an die Korinther. So ist in den meisten Gotteshäusern das beherrschende Kruzifix gegenüber der Kanzel angebracht, von der aus der Pfarrer die Predigt hält. Aber auch hier gibt es, wie könnte es anders sein, wieder Ausnahmen von der Regel. Etwa in Sankt Leonhard sagt die Position des Kreuzes genauso viel über die Bedeutung der Kreuzigung aus, wie das Kruzifix selbst.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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