Paar in Emmering bedroht:Heimweh als Tatmotiv

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22-Jähriger wegen räuberischer Erpressung vor Gericht

Eine Reise von einer Welt in eine andere: von den Favelas im brasilianischen São Paulo in eine Unterkunft für Asylbewerber in Fürstenfeldbruck. Sie war die Endstation für Roger A. Nun droht ihm sogar noch eine Haftstrafe. Seine Heimat habe er verlassen, weil er reisen wollte, sagte der 22-Jährige am Dienstag vor dem Landgericht München II. Im Spätsommer vergangenen Jahres fuhr S. von Paris aus mit einem Flixbus nach Berlin. Im Bundesland Brandenburg stellte er einen Antrag auf Asyl. Danach, so der 22-Jährige, der als Beruf Straßenkünstler angibt, sei er von einem Ort zum anderen verlegt worden und am Ende in Fürstenfeldbruck gelandet. Schon bald wollte er dann angeblich nur noch nach Hause. Um jeden Preis. Aus diesem Grund, so S. bei seiner Vernehmung, habe er zur Polizei gesagt, er sei ein Terrorist. Man habe ihm erzählt, berichtete der 22-Jährige, wenn er dies behaupten würde, werde er in seine Heimat geschickt. Doch es kam anders.

Mitte Januar vergangenen Jahres bedrohte Roger S. auf der Hauptstraße in Emmering eine junges Paar, das ihm zufällig begegnet war, mit einem Messer mit einer 6,5 Zentimeter langen Klinge. Er verlangte Geld. Die jungen Leute weigerten sich jedoch und gingen laut den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach einem Wortwechsel weiter. Danach lief S. zu einem Supermarkt in der Nähe. Laut Anklage soll er den Plan gehabt haben, dort Waren und Geld zu stehlen. Allerdings hatte der Supermarkt schon geschlossen. Roger S. stand vor der Glastüre. Als er zwei Mitarbeiter sah, die noch in dem Markt arbeiteten, soll er in deren Richtung mit seinem Messer bedrohliche Gesten gemacht haben. Außerdem soll er mit einem Finger der linken Hand an seinem Hals entlang gefahren sein und den Mitarbeitern damit angedeutet haben, dass er ihnen die Kehle durchschneiden werde.

Die beiden Angestellten alarmierten schließlich die Polizei. Roger S. blieb vor der Glastüre stehen. Es sollen fast zehn Minuten gewesen sein. Bei seiner Vernehmung sagte er den Richtern der 3. Strafkammer, warum er auf die Polizei gewartet habe. Er sei sich sicher gewesen, dass man ihn sofort ausweisen und zurück nach Brasilien schicken würde. Dass er wegen des versuchten Überfalls auf das junge Paar festgenommen und sogar vor Gericht gestellt wird, "hätte ich nicht gedacht", sagte der 22-Jährige. Ebenso wenig habe er den Supermarkt, in dem er am Abend des 18. Januar 2018 zuvor schon einmal gewesen war und das Messer und Chips geklaut hatte, ausrauben wollen. Er habe in Richtung der beiden Mitarbeiter auch keine Kopf-ab-Geste gemacht. Es sei vielmehr eine Telefon-Geste gewesen. Damit habe er die Mitarbeiter dazu bringen wollen, die Polizei zu rufen. Denn, so Roger S., er sei an jenem Abend völlig verzweifelt gewesen und habe befürchtet, er müsse auf der Straße schlafen. Warum er nicht einfach in die Asylunterkunft zurückging, in der er lebte, sagte er nicht. Die "Idee", das junge Paar auszurauben, sei ihm "plötzlich" gekommen, nachdem er zuvor in dem Supermarkt das Tatmesser und die Chips gestohlen habe. "Ich wollte nicht gewalttätig sein", beteuerte Roger S. Er sei so durcheinander gewesen, dass er zu seinen Opfern auf Englisch sagte, er wolle ihnen Geld geben. Tatsächlich aber habe er sie dazu auffordern wollen, dass sie ihm ihr Geld geben. Er habe Hunger gehabt.

Bereits drei Tage vor den beiden versuchten besonders schweren räuberischen Erpressungen, die die Staatsanwaltschaft dem 22-Jährigen in ihrer Anklageschrift zur Last legt, war Roger S. offenbar auffällig geworden. Bei seiner Vernehmung gab er an, dass er zu einer Polizeiinspektion gegangen sei und den Beamten dort erklärte: "Ich bin ein Terrorist." In Wirklichkeit habe er gehofft, man werde ihm helfen. Er habe nur zurück in seine Heimat Brasilien gewollt. Die Beamten hätten ihn dann aber in eine psychiatrische Einrichtung im Landkreis gebracht. Dort habe er drei Tage verbracht. Am Abend des dritten Tages sei ihm gesagt worden, erklärte der 22-Jährige, er könne jetzt gehen. "Es sei alles in Ordnung." Bei seiner Festnahme vor dem Supermarkt hatte Roger S. keinerlei Widerstand geleistet. Angeblich stand er auch nicht unter dem Einfluss von Drogen Ein Urteil in dem Prozess wird für Mitte August erwartet.

© SZ vom 31.07.2019 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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