Osterrieder-Krippe:Noch auf dem Weg nach Bethlehem

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Insgesamt drei Mal wird Anton Hirschvogl die beeindruckende Osterrieder-Krippe in der Klosterkirche in der Weihnachtszeit umbauen. Derzeit legen Maria und Josef am Wegesrand eine Rast ein. An Heiligabend kommen Krippe, Kind und ein Teufelchen hinzu

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

An ihrem angestammten Platz der Verehrung sind Maria und Josef noch nicht angelangt. Vielleicht ein Meter Fußmarsch wird es noch sein. Eine Kurve auf dem sandigen Weg muss das Heilige Paar noch nehmen, bevor es die Vorhalle einer Palastruine erreicht hat und darin ihre Notherberge findet. Elf Tage bleiben den beiden ja noch, Zeit genug also für eine ausgiebige Rast.

Und deshalb stehen die beiden orientalisch gekleideten Figuren derzeit auf dem moosgrünen Untergrund am Rande des Weges, gefolgt von einem Lastenesel, vorne weg schon ein Hirtenjunge mit seinem Hund. Nur die Pose verrät bereits, welche Rolle dem Paar am bedeutsamsten Abend der Christenheit zugedacht ist: Maria schaut in sitzender Haltung fürsorglich hinab, Josef steht über der Szenerie, breitet schützend die Arme aus. Auch sein Blick geht ins Leere, denn zwischen ihm und seiner Frau befindet sich noch nichts: "Man bräuchte Maria und Josef eigentlich doppelt und in zweierlei Haltung", räumt Anton Hirschvogl ein.

Der 79-Jährige ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Anneliese gewissermaßen der Betreuer und Pfleger der vermutlich imposantesten Weihnachtskrippe im Landkreis. Diese dürfte bald 100 Jahre alt sein und stammt aus den Künstlerhänden von Sebastian Osterrieder. Der angesehene Bildhauer ließ um 1900 das Krippenbrauchtum wieder aufleben, ein Exemplar beherbergt etwa der Vatikan. Die Besonderheit seiner gut 20 Zentimeter großen Figuren liegt in der Technik. Diese sind nicht aus Holz geschnitzt, sondern sind gefertigt aus einer Gussmasse, dem sogenannten französischen Hartguss, bestehend aus Gips, Kreide und Leim. 1940 kauften die Ettaler Benediktiner für den stattlichen Betrag von 1000 Reichsmark die Krippe für das Kloster Fürstenfeld. Und dort in der Barockkirche baut sie in einem vergitterten Seitenaltar am Eingang jedes Jahr im Advent Hirschvogl auf.

Dass der Besucher nun alljährlich eine wunderbar detaillierte naturalistische Landschaft aus dem fernen Osten bestaunen und angesichts der biblischen Szenerie andächtig werden kann, ist dem Brucker Rentnerehepaar zu verdanken. Bis vor 15 Jahren wurde die wertvolle Krippe wenig sorgsam gelagert und aufgestellt. Die Figuren waren beschädigt, im Laufe der Geschichte falsch angezogen worden, das Hintergrundbild feucht und schimmlig. Dem ehemaligen Sparkassenangestellten gelang es nicht nur, Geld für eine umfangreiche Restaurierung aufzutreiben, sondern er vervollständige Jahr um Jahr die Figuren: Ochs, Esel, Schafe, Engel kamen hinzu, alle nach dem Vorbild der Osterrieder Originale modelliert. So bevölkern viele Tiere die Modellanlage, eine Schafherde wuselt durch die Ruine und am Ort der Niederkunft schauen schon Ochs und Esel auf den Platz, an dem die Krippe aufgestellt wird.

Am 23. Dezember wird Hirschvogl das derzeitige Bild "Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem" abbauen, das Paar in die turmartige Vorhalle versetzen und ihre Posen wieder mit Sinn und Leben füllen: Die Eltern werden sich dann über eine Krippe beugen und ihre Blicke werden ihr Kind umschmeicheln, während die Christenwelt die Geburt Jesu feiert. Und unter der Decke des Rundbogens hängen vier Engelchen und verkünden diese frohe Botschaft. Die bekanntlich bis zu drei Heiligen Königen aus dem Morgenland dringt, welche der Krippenbetreuer am 5. Januar hinzufügt, um schließlich das dritte und letzte Bild "Die Anbetung" entsprechend in Szene zu setzen.

Wer dann wirklich genau hinsieht, wird in dem himmlischen Anblick auch etwas durchaus Verstörendes entdecken: Ins Gebüsch hinter einer Mauer setzt Hirschvogl die plastische Abbildung des Teufels, "der in Richtung Stall schaut". Das Diabolische möge auf den ersten Blick befremdlich sein, sagt der Rentner, doch sei es in einer Weihnachtskrippe nicht unüblich. Schließlich: "Zum Guten gehört auch das Böse", sagt Hirschvogl und verweist auf eine zweite Figur, die derzeit noch fehlt, aber zu Weihnachten die Miniaturen in ihrem andächtigen Charakter zusätzlich ein wenig befremden wird: eine Schlange. Auch dieses Tier ist freilich unweigerlich eine Kernfigur biblischen - und damit für die Gläubigen menschlichen Ursprungs.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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