Ortsgeschichte:Aus der Zeit vor der Nummerierung

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Beim "Blasl" heißt das erste Hausnamenschild, das angebracht wurde von Christian Bichler vom Arbeitskreis Dorferneuerung (von links), Bewohnerin Bettina Weickl, Bürgermeisterin Sandra Meissner und Vorgänger Josef Drexler. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Damit alte Hof- und Hausnamen in Kottgeisering nicht in Vergessenheit geraten, werden nun Schilder an den Fassaden angebracht

Von Manfred Amann, Kottgeisering

Wenn sich in den ländlichen Dörfern im westlichen Landkreis zwei Alteingesessene über Ereignisse im Ort unterhalten, dann hat es ein Neubürger oft schwer, zu verstehen, um wen oder um welche Örtlichkeit es geht, weil häufig die von alters her gebräuchlichen Haus- und Hofnamen verwendet werden. Damit diese im Sprachgebrauch noch fest verwurzelten Bezeichnungen von Anwesen nicht in Vergessenheit geraten, hat in Kottgeisering der Arbeitskreis Ortsgeschichte die Haus- und Hofnamen gesammelt und mit den aktuellen Bewohnern vereinbart, diese auf einheitlichen blauen Schildern sichtbar an den Hausfassaden anzubringen.

Beim "Blasl", gleich neben dem Dorfplatz, hat Christian Bichler vom Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der Dorferneuerung, aus der der Arbeitskreis hervorging, nun das erste von 25 Schildern fachmännisch angeschraubt, die anderen werden nach und nach angebracht. Das alte Haus, das etwa um 1870 errichtet wurde und seit fast 30 Jahren von Familie Weickl bewohnt wird, gehörte einst zu einem kleinen Bauernanwesen. Es könnte nach früherer Größenbezeichnung ein Achtel- oder ein Sechszehntel-Gütl gewesen sein, denkt Altbürgermeister Josef Drexler, der auch eine Vermutung hat, woher der Hofname stammen könnte. "Der letzte Besitzer der auf dem Anwesen gelebt hat, bevor Matthias und Bettina Weickl einzogen, hat Blasius geheißen und dessen Vater ebenso", erinnert sich Drexler. Ob der Hofname tatsächlich vom Vornamen Blasius herrührt, lasse sich nur schwerlich nachvollziehen, meint Bürgermeisterin Sandra Meißner, der Arbeitskreis sei aber dran, möglichst viele alte Bezeichnungen von Anwesen zuzuordnen und ihre Herkunft zu ergründen.

Die Anwendung von Haus- und Hofnamen geht zurück auf die Zeit, bevor Hausnummern und Straßennamen Mitte des 18. Jahrhunderts flächendeckend eingeführt wurden. Sie waren zuvor die einzige eindeutige Kennzeichnung eines Anwesens. In München wurden Hausnummern um 1770 zur Pflicht. Belegt ist aber auch, dass die Häuser der Sozialsiedlung "Fuggerei" in Augsburg schon 1519 mit Hausnummern gekennzeichnet waren. In der Kottgeiseringer Ortschronik von 1991 sind 64 Hausnummern mit ihren Besitzern, mit ihrer Betriebsgröße und mit dem Hofnamen aufgelistet, wie sei um 1814 gebräuchlich waren, das Anwesen "Beim Blasl" ist nicht darunter. Es liegt also nahe, dass der Hofname später aufkam und sich tatsächlich vom Vornamen der einstigen Hofbesitzer ableiten lässt.

Wie aus der Chronik hervorgeht, sind viele der alten Bezeichnungen "selbstredend". Auf dem "Schmiedgütl" hatte einst ein Hufschmied seine Werkstatt, auf dem "Wagnergütl" ein Wagner, beim "Käser" wurde wohl Käse hergestellt und beim "Metzger" ist die Namensherkunft wohl auch eindeutig. Manche Hausnamen lassen möglicherweise Rückschlüsse auf die Herkunft der Besitzer zu, wie zum Beispiel beim "Oacharer", der aus dem heutigen Brucker Ortsteil Aich zugezogen sein oder eingeheiratet haben dürfte. Andere Bezeichnungen beziehen sich wiederum auf den Vor- und Nachnamen der einstigen Besitzer wie "Beim Schusterfranzgütl".

Schwer zu ergründen sein dürfte indes die Herkunft von Namen wie "Beim Kretzamo" oder "Beim Bee". "Keine leichte Aufgabe für den Arbeitskreis", so Bürgermeisterin Meissner. Ein Schild kostet 69 Euro, wovon die Hausbesitzer aber nur ein Viertel bezahlen müssen. Weiter 25 Prozent werden aus der Gemeindekasse finanziert und der halbe Preis wird vom Amt für ländliche Entwicklung aus dem Topf der Dorferneuerung beigesteuert.

© SZ vom 21.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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