Öffentlicher Personennahverkehr:Streit um teure Tickets

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Grünen-Kreisrat Martin Runge kritisiert, dass S-Bahnen und Busse keineswegs für alle Fahrgäste günstiger werden. Die Kreisräte stimmen der MVV-Tarifreform dennoch mit großer Mehrheit zu

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Ist die neue MVV-Tarifreform ein Fortschritt für die Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr oder nicht? Darüber stritten sich am Donnerstagnachmittag ausgiebig und leidenschaftlich Fürstenfeldbrucks Kreisräte. Vor allem Grünen-Kreisrat Martin Runge arbeitete eine Vielzahl an Fahrstrecken heraus, auf denen die MVV-Tickets deutlich teurer werden als bisher. Dennoch lehnte am Ende nur ein Fünftel der Kreisräte das Tarifwerk ab, das der in der Kreistagssitzung anwesende Norbert Specht, MVV-Bereichsleiter für Marketing und Tarif, einen "zähen, ausgewogenen Kompromiss zwischen Stadt und Umland" nannte.

Eigentlich wünschen sich alle längst einen streckengenauen Entfernungstarif, der ist laut Specht technisch aber noch nicht möglich. Ein Pilotversuch werde um den Jahreswechsel 2019/20 starten. 70 Prozent der Fahrten würden deutlich günstiger und nur für zehn Prozent würde es durch die Reform schlechter werden, betont Hubert Ficker (CSU), Kreistagsreferent für Strukturpolitik und ländlichen Raum. Das hinzunehmen, weil die Reform als Ganzes viele Verbesserungen bringe, dafür plädiert auch Landrat Thomas Karmasin (CSU).

Runge ist anderer Ansicht. In mühevoller Kleinarbeit hatte er Beispiele zusammengetragen, wo Fahrten deutlich teurer werden. Ihm fielen "sofort mehrere Dutzend" Leute ein, auf die das zutreffe. Die Landkreise hätten sich von der Stadt München über den Tisch ziehen lassen. Runge nennt die Reform "großen Murks" und sieht im Landkreis Fürstenfeldbruck denjenigen, der "mit Abstand am meisten negativ betroffen ist". Zu Karmasin sagt er noch: "Sie als Brucker Landrat hätten deshalb am meisten aufbegehren müssen!"

Mit seiner Kritik zieht er sich vor allem den Unmut der SPD-Fraktion zu. "Destruktiv" nennt Peter Falk Runges Einlassungen: "Ich halte diese Art des Auftretens für unkollegial." Michael Schrodi wirft Runge vor zu skandalisieren: "Das ist leider ein typischer Runge." Und Andreas Magg freut sich auf den Zeitpunkt, "wenn die Landtagswahl vorbei ist, Herr Runge". Die Anwürfe der SPD erhalten spontanen Beifall von den CSU-Räten, die ganz weit gegenüber sitzen und normalerweise auch inhaltlich auseinander liegen. Diesmal spielen sie Groko, nach CSU-Wortmeldung erwidert die SPD den Applaus und klopft zustimmend mit der Faust auf den Tisch.

Andreas Magg, Verkehrsreferent im Kreistag und Bürgermeister von Olching, findet sodann zu gemäßigter Argumentation zurück und auch zu Kritik am Reformpaket. Es sei "nicht alles Mist" daran, er sehe aber "einige Punkte, die mindestens nicht ideal sind". Zum Beispiel, dass die Bahnhöfe Olching und Esting nicht als zu einer Stadt gehörend berücksichtigt wurden. Auch die Online-Tickets seien "leider nicht so komfortabel, wie man sich das wünschen würde". Die Bürger aber würden sich jenes Verkehrsmittel aussuchen, das für sie das schnellste, günstigste und einfachste ist, so Magg. Auch Johann Thurner (FW), dessen Fraktion die Entscheidung gerne vertagt hätte, rügte "Extremfälle als Schwäche des Pakets". Die Tageskarte von Mammendorf nach München würde um 3,1 Prozent teurer, "dann nutzt es mir nichts, wenn die Streifenkarte billiger wird". Dabei ist Mammendorf noch gut weggekommen. In Fürstenfeldbruck, Buchenau oder Esting verteuern sich die Tageskarten um 14,6 Prozent, am Bahnhof Harthaus um fast 18 Prozent. Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU), der auch Kreisrat ist, hätte die beiden Bahnhöfe in seiner Stadt gerne in einer Tarifzone gehabt. Immerhin sei es künftig von Vorteil, mit dem Bus zum Bahnhof zu fahren. "Ich hoffe, dass dann mehr Menschen das Auto stehen lassen."

Thurner prognostiziert, dass nun viele Fahrgäste mit dem Auto in die sogenannte M-Zone kommen und erst von dort mit dem ÖPNV weiterfahren werden. Teurer wird es, und das hatte Runge ebenfalls angeführt, vor allem auch für Fahrgäste, die nahe an der Stadtgrenze zu München einsteigen, aber nicht bis in die Innenstadt wollen, sondern beispielsweise von Pasing aus in eine andere Richtung fahren. Das treffe vor allem Menschen auf dem Weg an ihre Arbeitsplätze in Karlsfeld, Allach, Moosach. "Und dabei wollten wir die Leute doch von der Straße auf die Schiene bringen", so Runge.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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