Öffentlicher Nahverkehr:"Für neue Projekte würde ich mir mehr Geduld wünschen"

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ÖPNV-Experte Hermann Seifert über die Forderung von Brucks Alt-OB Sepp Kellerer, das Busangebot in Aich zu reduzieren

Interview von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember fahren in Landkreis und Kreisstadt mehr Busse. Auf der Bürgerversammlung im Fürstenfeldbrucker Ortsteil Aich setzte es dafür aus prominentem Munde Kritik: Brucks Alt-OB und CSU-Kreisrat Sepp Kellerer empfindet die vielen Busse im ländlich geprägten Ort auch als Belastung und hält einen Stundentakt für ausreichend. In den zurückliegenden Jahren hatte sich Kellerer mehrfach ähnlich geäußert. Hermann Seifert, im Landratsamt für die Busse zuständig, erklärt, welche Vorteile der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs hat und warum auch der Einsatz kleinerer Busse nicht kostengünstiger wäre.

SZ: Beschwerden, dass Bus und Bahn zu selten fahren oder zu leer unterwegs sind, kennt man ja durchaus. Aber Beschwerden über zu viele Busse?

Hermann Seifert: So etwas kennen wir durchaus. Wenn das Angebot ausgeweitet wird, dann wird das erfahrungsgemäß von gut 80 Prozent begrüßt. Aber etwa jeder Fünfte äußert sich kritisch, weil er sich belästigt fühlt und das alles angeblich zu viel Geld kostet. Oft sind das Personen, die selbst das Angebot nicht nutzen. Und Beschwerden über zu leere Busse gibt es meist nach den Schulferien, in denen die Busse natürlich weniger ausgelastet sind.

Sind es denn wirklich so viele Busse mehr geworden in Aich?

Seit dem 10. Dezember sind es werktäglich 44 statt zuvor 31 Fahrten, 24 davon Richtung Fürstenfeldbruck und 20 von Bruck kommend und weiterführend über Landsberied und Moorenweis. Es geht um die Linie 825 sowie den zusätzlichen 823er mit fünf Fahrten. Bei der letzten Fahrgastzählung 2015 wurden werktäglich 70 Ein- und Aussteiger in Aich gezählt. Die nächste Fahrgastzählung erfolgt dieses Jahr.

Was halten Sie vom Stundentakt?

Das würde schwer werden, das habe ich auch Herrn Kellerer schon zu erklären versucht. Seit Dezember gibt es einen 40-Minuten-Takt im westlichen Landkreis, der als Wunschziel bereits 2007 einstimmig vom Kreistag verabschiedet worden ist. Würde nur jede zweite Fahrt durch Aich führen, dann bliebe ein 80-Minuten-Takt. Oder ein Zweistundentakt wäre möglich. Ansonsten müssten wir ja einen zusätzlichen Bus außer der Reihe dort einsetzen, das lässt sich schwerlich machen. Man muss ja sehen, dass Aich in das gesamte ÖPNV-Netz des Landkreises eingebunden ist.

Wäre eine Taktausdünnung sinnvoll?

Eher nicht. Wir haben auf einen Leserbrief von Herrn Kellerer hin Zuschriften und Anrufe bekommen. Abgesehen von einer weiteren kritischen Wortmeldung gab es nur Zuspruch zum neuen Angebot. Da hieß es, dass es endlich mal eine gescheite Verbindung gebe oder dass nun auch die Kinder oder die Tante den Bus benutzen können.

Wäre es denn möglich, außerhalb der Spitzenzeiten kleinere Busse einzusetzen?

Grundsätzlich schon, aber das würde teurer kommen. Denn auf die großen Busse können die von uns beauftragten Busunternehmer ja nicht verzichten, sie müssten kleinere Fahrzeuge also noch zusätzlich anschaffen.

Auf der Bürgerversammlung wurde der Vorschlag geäußert, den Bus an der Staatsstraße halten zu lassen.

Machbar ist das schon, aber es wäre keine spürbare Kosten- oder Zeitersparnis. Und für die Fahrgäste würde es unbequemer, weil sie eben weiter zur Haltestelle laufen und je nach Fahrtrichtung auch noch die Staatsstraße überqueren müssten.

Bleibt also alles beim Alten?

Nicht zwangsläufig. Ende 2021 werden die Linien erneut für acht Jahre ausgeschrieben. Wir haben uns dafür entschieden, erst einmal möglichst viele Angebote zu schaffen und die Resonanz zu prüfen. Erfahrungsgemäß dauert es durchaus zwei bis drei Jahre, bis viele Leute erkennen, dass man mit dem Bus sehr gut zur S-Bahn oder in die Stadt kommt und vielleicht auf einen Zweit- oder Drittwagen verzichten könnte.

Was halten Sie von der ganzen Debatte?

Ich würde mir bei neuen Projekten vor allem in der Anfangsphase manchmal schon etwas mehr Geduld für den Öffentlichen Nahverkehr wünschen. Und es wäre schön, wenn auch mal die Chancen für den ländlichen Raum herausgestrichen werden.

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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