Neues Interesse an der Handarbeit:Lätzchen und Schals selbst gemacht

Lesezeit: 3 min

Den Umgang mit der Nähmaschine beherrscht nicht jede Teilnehmerin von Anfang an. Das macht aber nichts, man hilft sich gegenseitig. (Foto: Günther Reger)

Weil das Interesse zunimmt, veranstaltet die Brucker Elternschule alle 14 Tage eine Nähstube. In der geht es nicht nur um neue Kleidungsstücke, sondern auch um Selbstbestätigung und gemeinsame Erlebnisse

Von Katharina Proksch, Fürstenfeldbruck

"Nähenkönnen fördert das Wohlbefinden", stellt Martina Hübner fest und bekommt Bestätigung aus dem Raum, in dem die Nähmaschinen nur so rattern. Jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat wird in den Räumen von Opstapje in der Brucker Elternschule fleißig genäht. Im Nebenzimmer dürfen die Kinder unter Aufsicht von Anabel Liszy de Gassler spielen. Diesmal steht der Vormittag unter dem Motto: "Lätzchen nähen - Keine Lust auf Flecken?" Doch einige der sieben Teilnehmerinnen fertigen auch Loop-Schals, Schürzchen und Turnbeutel an. Nadja P. (ihr Nachname soll nicht in der Zeitung stehen) ist zum ersten Mal dabei und näht einen Loop-Schal für ihren Sohn. Das Fleece und den Jerseystoff hat sie in Olching gekauft, das Motiv: Star Wars. Stricken und Häkeln habe sie noch in der Schule gelernt, aber hinter der Nähmaschine zu sitzen, sei Premiere.

"Das Interesse am selber Nähen ist in den letzten Jahren gestiegen", sagt Hübner, Leiterin der Elternschule. Mütter schämten sich gar, nicht nähen zu können. Dieses Gefühl griff die Elternschule auf und rief das Projekt "Nähstube" ins Leben. Finanziert wurde es zu Beginn durch den Familienstützpunkt, (Sach-)Spenden aus der Bevölkerung und dem Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung. Zehn Maschinen stehen bereit, Stoffe, Kisten voller bunter Garne, ein Bügelbrett sowie ein Bügeleisen und jegliche Nähutensilien. Eine Maschine spendete auch der Nähmaschinenservice Cibena in Grafrath, wo die Maschinen regelmäßig gewartet werden. Vorkenntnisse zur Teilnahme sind nicht nötig, dafür ist Daniela Tuchner da. Die gelernte Maßschneiderin und studierte Sozialarbeiterin verbindet in diesem Projekt zwei Herzensangelegenheiten: "Der soziale Aspekt verknüpft sich mit Kreativität."

Claudia Holzner ist schon von der ersten Stunde mit dabei. "Man wächst hier so rein, ich habe schon viele kommen und gehen sehen. Wir tauschen uns viel aus, auch über das Privatleben." Sie hat schon viel geflickt, Faschingskleider genäht und gar ihr altes Kommunionkleid für ihre beiden Kinder aufbereitet. "Das hat einst mein Papa genäht, der war Schneider. Nachdem die Motten dran waren, habe ich es geflickt, den Bund umgenäht und noch ein Täschchen dazu kreiert." Das sei gar nicht so einfach gewesen mit all dem Tüll. Heute näht sie ein Lätzchen für ihr Patenkind, flickt zwischendurch oder bügelt gar ihre Wäsche.

Die Lätzchen werden aus alten Frotteehandtüchern genäht, für die Vorderseite suchten sich die Frauen gemusterte Stoffe aus oder brachten gar selbst einen mit. Nachdem die beiden Stoffteile auf dem Fußboden, der als Schneidertisch dient, ausgeschnitten worden sind, muss man die beiden rechten Seiten, also diese, die später sichtbar sein sollen, aufeinander legen und feststecken. Anschließend geht es an die Maschine. Ab und zu schreit eine Näherin auf, wenn sie sich vernäht hat, aber ansonsten herrscht eine ruhige, entspannte Atmosphäre mit Kaffee und Plätzchen. Die Kinder wuseln ab und an zwischen den Beinen hindurch oder sitzen gar auf dem Schoß und helfen mit.

Corinna S. nähte als Kind schon Bettwäsche für ihr Puppenhaus oder Kleider für ihre Barbies. In der Nähstube nähte sie schon Loop-Schals. "Man muss wissen wie es geht, dann macht es auch Spaß." Heute näht sie ein Lätzchen und sucht den passenden Garn für die Ziernaht aus, Claudia Holzner zeigt ihr, wie man den Druckknopf befestigt. Nachdem man das Lätzchen gewendet hat, steppt man einmal an der Kante entlang. Somit ist auch das Loch geschlossen. Zum Schluss kommen die Druckknöpfe dran. Wenn das Werk geglückt ist, freuen sich alle in der Runde. "Nähen fördert das Selbstbewusstsein der Teilnehmer. Sie entdecken versteckte Talente und lernen etwas Neues", sagt Hübner.

Die Notwendigkeit zum Nähen ist mit den Jahren gesunken. Discounter-Klamotten stillen den Bedarf, die Wegwerfgesellschaft hat sich etabliert. Auch dem arbeitet die Nähstube entgegen. "Der Nachhaltigkeitsgedanke wird gefördert", so Wagner. Es gilt: Aus Alt mach Neu. Aus einer alten Hose, einem T-Shirt, einer Jacke und einem Kissenbezug lässt sich in zwei Stunden ein liebevoll verzierter Turnbeutel nähen. Sarah Aicher stellt sich heute dieser Aufgabe.

Melanie Winkler hat endlich die Zeit gefunden dabei zu sein. Sie näht eine Schürze für ihren zwei Jahre alten Sohn, der gerne backt und kocht. Sie hofft, etwas zu lernen. "Zu Hause leihe ich mir ab und zu die Nähmaschine meiner Mutter aus", sagt sie. Im Näheifer hat sie versehentlich die Kordeln nach innen genäht. Tuchner hilft beim Auftrennen. Es dauert nicht lange, da vernäht Melanie Winkler sich schon wieder: Sie hat das Loch zum Wenden zugenäht, wieder muss getrennt werden. "Aus Fehlern lernt man", lacht sie. Und jetzt ist auch noch der Faden aus der Nadel gerutscht.

Nadja P. und Corinna Z. nähen noch an ihren Star-Wars-Schals. Für den Stoff mit Stretchanteil ist ein Zick-Zack-Stich nötig. Für Corinna Z. stellt sich das Material als Herausforderung dar: Der Faden hat sich in der Spule verheddert. Wenn aber alles am Schnürchen läuft, kann sich ein meditativer Zustand einstellen. Zum Schluss freuen sich nicht nur die Näherinnen, weiß Liszy de Gassler: "Die Kinder freuen sich auch aufs Selbstgenähte, weil Mama sich freut."

Nächste Termine in der Nähstube sind an den Donnerstagen, 18. Januar und 1. Februar, 9 bis 12 Uhr, Opstapje, Buchenauer Straße 42, Kosten inklusive Kaffee oder Tee drei Euro. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: