Neuer Anstrich für den Stadtsaal:In Ultramarin gehüllt

Lesezeit: 2 min

Siegfried Pulfer (links) und Herbert Leierer verpassen dem Stadthallendach einen neuen Anstrich. (Foto: Günther Reger)

Der 90-jährige Siegfried Pulfer arbeitet bei der Renovierung des Stadtsaals in schwindelerregenden Höhen.

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Der neue Anstrich des Stadthallendachs ist fertig, das Ultramarin stahlt besonders intensiv, passend zum Farbton der Glaswand darunter. Diese besondere Leuchtkraft und das Flair der Oberflächenstruktur heißt im Fachjargon "tuchmatt", erklärt Siegfried Pulfer. Der akademische Maler aus Bruck hat zusammen mit dem Architekten vor 15 Jahren dieses spezielle Blau für die Saaldecke ausgesucht. "Meine Lieblingsfarbe", verrät er. Während der Innenbereich noch in einem tadellosen Zustand ist, hat die Farbe im Außenbereich durch die Aggressivität der Luft gelitten. Da war es naheliegend, den erfahrenen Malermeister mit der Restaurierung zu beauftragen. Dieses Mal verwendet der Fachmann Farbe auf Mineralbasis. Die macht den Anstrich hornhart, wie einen Fingernagel. "Das hält mindestens 30 Jahre", davon ist er überzeugt.

Pulfer steht auf der Hebebühne, bewegt sich in schwindelerregender Höhe und streicht mit dem Konturenpinsel die Randbegrenzungen. Und das mit 90 Jahren. Exakt, mit sicherer Hand tut er das. Er hat die Ruhe weg für diese zeitaufwendige, diffizile Arbeit. Herbert Leierer unterstützt Pulfer bei seinem Auftrag und malt mit der Rolle die großen Flächen. Die beiden kennen sich seit Leierer 1974 bei Pulfer in die Lehre ging. Die Vorarbeiten, das Abdecken zum Schutz des Gebäudes, kostete mehr Zeit als das Malen selbst. Allein für die Glasfront waren gut 200 Quadratmeter der hauchdünnen Abdeckfolie notwendig.

Der selbstständige Malermeister Siegried Pulfer liebt seinen Beruf. Er hat Spaß daran. "Aufhören", sagt der gläubige Katholik mit einem Blick zum Himmel, "das wird von oben bestimmt". Nach der Meisterschule studierte er Ende der 1940er Jahre bei Professor Hillerbrand an der Akademie in München. Der hat dem Studenten den Begriff Kunst neu vermittelt, fernab von der NS geprägten Ideologie, die die Lehrjahre des jungen Malers bestimmte. Geometrie ist für Pulfer die Grundlage der Schöpfung, der Mensch die Geometrie pur.

Grafische und geometrische Motive, strenge räumliche Gliederungen sind die stilistischen Prinzipien seiner Fassaden. Viele öffentliche Gebäude im Landkreis tragen Pulfers Handschrift. Das Fehlen konkreter Motive kennzeichnet seinen Stil, den "geometrischen Konstruktivismus", wie er ihn nennt. Gelegentlich wird er seinem Duktus untreu und kopiert fremde Meister. Nicht um groß ins Fälschergeschäft einzusteigen. Er stellt die Falsifikate eines Ernst-Ludwig Kirchner, August Macke oder Erich Heckl beim Basar des Lions Clubs als Hauptgewinn zur Verfügung.

Dass Pulfer in seinem hohen Alter noch so aktiv ist, kommt nicht von ungefähr. In seiner Jugend war er Leichtathlet, bereits mit 17 Jahren lief er seinen ersten Marathon und erst vor sechs Jahren hat er aufgehört, mit seiner Frau Isolde Turnier zu tanzen. Die beiden sind jetzt seit 63 Jahren verheiratet. Genauso lange betreibt Pulfer seinen Betrieb als selbstständiger Malermeister. Natürlich arbeitet der 90-Jährige nicht mehr wie früher zehn Stunden täglich. Aber vier bis sechs Stunden sind es immer noch, Haus- und Gartenarbeit mitgerechnet. Endzeitstimmung ist ihm fremd. Auch der Tod kann den 90-Jährigen nicht schrecken. Er war schon ein Mal ganz nahe dran, als er im Zweiten Weltkrieg als Flugzeugführer einem Absturz nur knapp entging. "Ich war in meinem Leben nie mehr so ruhig wie damals", sagt er. Er ist mit sich im Reinen.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: