Neue Selbsthilfegruppe:Wenn die Angst das Leben bestimmt

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Der Gröbenzeller Rudolf Mahnert bietet nun auch in Fürstenfeldbruck eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Angststörungen an.

Alexandra Fitz

Angst kann eine ganz normale Schutzreaktion sei. Bei manchen Menschen steigert sich dieses Gefühl aber so, dass es krankhaft wird. Angststörungen haben in den letzten Jahren zugenommen. Laut einer Studie leiden 14,2 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 65 Jahren im Zeitraum von einem Jahr unter einer Angststörung. Rudolf Mahnert ist selbst betroffen, nun leitet er die Selbsthilfegruppe "Mutiger" im Landkreis. Die SZ sprach mit ihm über das Tabuthema.

Viele Menschen können sich nicht von ihren Ängsten befreien. Foto: Michael Kappeler/ddp (Foto: ddp)

Sie leiten Selbsthilfegruppen für Menschen mit Angststörungen. Wie kam es dazu?

Ich habe selbst an einer Angststörung, Agoraphobie mit Panikattacken (Anm. d. Red.: Unter anderem Angst vor offenen, weiten Plätzen) gelitten. Ich bin immer mehr zu Hause geblieben, habe mich isoliert und nicht mehr getraut wegzufahren. Früher bin ich viel gereist und geflogen. Ich dachte anfänglich, es sei ein medizinisches Problem, deshalb konnte ich lange nicht richtig diagnostiziert werden. Bis mir ein Neurologe eine Selbsthilfegruppe empfohlen hat. Die Gruppe hat mich aufgebaut, ich konnte mein Leben verändern und ich habe wieder Orientierung gewonnen.

Wie ging es weiter?

Ich habe im Anschluss zwei Gruppenleiterschulungen gemacht, Gruppenseminare besucht und eine Ausbildung zum Biofeedback-Trainer absolviert. Zu Beginn war ich bei "Mash" in München und habe dann meine eigene Selbsthilfegruppe "Mutiger" in Gröbenzell gegründet. Die erste Gruppe kam vor sechs Jahren zustande, mittlerweile sind es dort schon zwei. Dann kamen Germering und Dachau dazu. Ab dem 2. Februar gibt es auch in Bruck eine Gruppe. Ich werde die Gruppe zusammen mit einer Dame, die selbst betroffen ist, leiten.

Ist das Betroffensein wichtig für die Leitung einer Selbsthilfegruppe?

Ja, das Betroffensein ist Voraussetzung für Selbsthilfe. Als Betroffener kennt man die Situation und weiß, wie sich die anderen fühlen. Wir verstehen uns. Unser Motto lautet "Betroffene für Betroffene".

Was ist das Ziel?

Ich möchte die Leute wieder alltagstauglich machen. Sie sollen lernen, die Angst zu akzeptieren, und die Faktoren verändern, die sie in ihre Situationen gebracht haben. Sie sollen diese Situationen erkennen und lernen, damit umzugehen. Ich möchte den Leuten zurück zu einem besseren Leben verhelfen.

Wie läuft so ein Gruppentreffen ab?

Die Gruppe, in der meist zwischen acht und zehn Leute sind, sitzt in einem Kreis. Zuerst gibt es eine sogenannte Blitzlicht-Runde, dabei geht es um die Befindlichkeit der Teilnehmer, jeder erzählt kurz, wie es ihm geht.

Wir haben unregelmäßig auch Fachleute als Gäste, die einen Vortrag halten und denen die Gruppenmitgleider anschließend Fragen stellen können. Einmal im Monat machen wir einen Ausflug, der gruppenübergreifend ist. Wir fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, gehen spazieren oder ins Kino.

Welche Menschen nehmen Ihr Angebot an?

Früher, als ich als Betroffener in der Selbsthilfegruppe war, gab es wesentlich mehr weibliche Teilnehmer mit Angsterkrankungen. Das hat sich aber verändert, es gibt Gruppen mit einer 50-50-Verteilung, da bewegt sich was. Die Teilnehmer sind meistens berufstätig und im Alter zwischen 30 und 60 Jahren. Wir haben wenig Rentner und wenig Jugendliche. Das liegt vielleicht daran, dass häufige Themen die Arbeitswelt, Beziehungen oder Veränderungen im Leben sind.

Warum sind psychische Erkrankungen immer noch ein Tabuthema?

Betroffene können mit niemandem reden, sie müssen alleine damit fertig werden. Die Umwelt will es nicht wahrhaben, auch in der Arbeitswelt wird es ignoriert. Ich möchte die Dunkelziffer an Leuten, die an Angstattacken leiden, gar nicht wissen. Ich versuche, offen damit umzugehen und habe dabei nur positive Erfahrungen gemacht. Meine Angsterkrankung behindert mich nicht mehr, weil ich mich mit dem Thema beschäftige und mich in den Gruppen damit befasse. Man kann von allen Teilnehmern lernen, das ist die Selbsthilfe.

© SZ vom 24.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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