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Während Grünen-Politiker Martin Runge die MVV-Tarifreform als gescheitert ansieht, ist man im Landratsamt zuversichtlich

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die MVV-Tarifreform scheint kaum mehr zu retten zu sein, nachdem Ministerpräsident Markus Söder ein Jahresticket für 365 Euro versprochen hat. In Landkreis München gehen CSU und Freie Wähler auf Abstand und der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU), Sprecher der Landräte im MVV, hält die Reform für nicht mehr umsetzbar. Der Landtagsabgeordnete und Kreisrat Martin Runge (Grüne) freut sich, weil die Reform eklatante Preissteigerungen bringen würde. Bloß im Brucker Landratsamt hält man die Fahne hoch. Söders Ticket ließe sich mit der Tarifreform durchaus vereinbaren, weil bis zu dessen Einführung einige Zeit vergehen dürfte, sagt Hermann Seifert, der ÖPNV-Koordinator.

Ziemlich überraschend hatte Söder für fünf Modellregionen ein Jahresticket für nur 365 Euro angekündigt, um den ÖPNV zu stärken und die Umweltbelastung zu reduzieren. Mitte 2020 wolle man anfangen, schrittweise sollten die Kapazitäten ausgebaut und bis 2030 alles umgestellt sein. Vorbild ist Wien, wo ein solches Ticket bereits vor zwei Jahren eingeführt wurde. Im Großraum München haben die Partner im MVV jedoch gerade mühsam eine Tarifreform ausgehandelt, die im Juni 2019 in Kraft treten soll. Dabei soll das Tarifsystem für den Kunden deutlich einfacher werden. Allerdings gibt es Kritik, weil vor allem Pendler aus stadtnahen Kommunen mehr bezahlen müssten.

Im Brucker Kreistag haben lediglich die Grünen und einige FW-Politiker die Zustimmung verweigert. Angesichts des Widerstands im Landkreis München warf Runge der Mehrheit aus CSU und SPD vor, ähnlich wie bei der gescheiterten Sparkassen-Fusion, gedankenlos vorgeprescht zu sein. "Da hat keiner nachgerechnet und nachgedacht, sondern einfach die Zahlen des MVV geschluckt."

Für alle, die nicht in die Innenstadt müssen, werden Monats- und Wochenkarten teurer, weil die Preise für die neue M-Zone in München zwar günstiger sind als für die vier Ringe, in die das Stadtgebiet jetzt aufgeteilt ist, aber teurer als für einzelne oder zwei dieser Ringe. Wer nach Laim oder Pasing will oder weiter nach Moosach, zahle drauf und zwar bis zu 80 Prozent, hat Runge ausgerechnet. Für Pendler aus Germering oder Gröbenzell ist es deutlich billiger mit dem Auto nach Freiham oder Lochhausen zu fahren und erst dort in den Zug zu steigen. Der ÖPNV-Koordinator hatte die Berechnungen Runges bestätigt, versichert jedoch stets, nur wenige Fahrgäste seien betroffen.

Runge würde sich freuen, wenn die Tarifreform scheitert, vermutet aber, dass das 365-Euro-Ticket ein Alibi ist, weil sich die Erkenntnis breitmacht, dass die Kritiker Recht haben. Das Versprechen Söders würde es vielen erlauben, die Reform ohne Gesichtsverlust zu begraben. Ein Problem sei auch, dass für ein so günstiges Angebot wie das 365-Euro-Ticket aufgrund der Versäumnisse der Staatsregierung die Kapazitäten fehlten, die Züge und Gleise. Außerdem würde Söders Wahlkampfgeschenk dem MVV weniger Einnahmen bescheren. "Wer gleicht das höhere Defizit aus?", fragt der Grünen-Politiker. Gerade deshalb ist man im Landratsamt über die Ankündigung erfreut. "Erstmals hat der Freistaat damit signalisiert, ein Defizit anteilig zu subventionieren", sagt Seifert. Darauf könne man sich nun berufen. Zumal es einen gravierenden Unterschied zu Wien gebe: In der österreichischen Hauptstadt fließen die Parkgebühren in den ÖPNV-Topf, in Bayern nicht. Entsprechend größer dürften die Verluste ausfallen.

Die MVV-Tarifreform sei ohnehin nur ein Zwischenschritt. "Wir haben immer gesagt, unser Ziel ist ein Entfernungstarif mit elektronischem Ticket", betont Seifert. Auch müsse erst noch geklärt werden, was der Ministerpräsident meinte, als er von einer Einführung des 365-Euro-Tickets zwischen 2020 und 2030 gesprochen habe. Insofern sieht Seifert kein Problem, nächstes Jahr die umstrittene Tarifreform umzusetzen.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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