Mutig und erfrischend:Fette Ausstellung

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Der Kunstkreis Germering widmet sich in seiner Herbstschau einem ungewöhnlichen und auf den ersten Blick sperrigen Thema

Von Florian J. Haamann, Germering

"Fett" ist ein Begriff, mit dem man sich nicht unbedingt gerne beschäftigt. Schon alleine dieser Klang. Laut ausgesprochen klingt das Wort doch nach Ekel, nach zu viel, aggressiv. Dazu kommt, dass es gerne als Schimpfwort verwendet wird. Eines, das wesentlich hart trifft. Weil "fett" sein in der Gesellschaft oft mit Maßlosigkeit und Undiszipliniertheit gleichgesetzt wird. Dass der Begriff aber facettenreicher ist, als es der Blick auf ein glänzendes Pfund Butter vermuten lässt, das zeigen die Mitglieder des Kunstkreises Germering in ihren Herbstausstellung in der Stadthalle.

Was bedeutet "Sieben fette Jahre" eigentlich heute noch, fragt sich Graziana Patrizia Goldwurm-Niembs. Eine ihrer Antworten: ständig verfügbare und käufliche Sexualität. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Da ist etwa die Installation von Graziana Patrizia Goldwurm-Niembs. "Sieben fette Jahre" heißt sie und reflektiert, was in europäischen Wohlstandsgesellschaften überhaupt noch unter diesem Begriff zu verstehen ist. Von Josefs biblischer Prophezeiung für den Pharao, wonach die sieben fetten Kühe aus seinem Traum sieben nahrungsreiche Jahre versprechen, löst sie sich dabei vollkommen. Was also könnte die Metapher heute bedeutenden? Für Goldwurm-Niembs sind es unter anderem Reichtum, die ständige Verfügbarkeit von Sexualität, exklusive Hobbys, teures Essen, Zeit. Zu jedem dieser Themen hat sie eine kluge Installation entworfen. Am Ende steht der Betrachter vor einem Zerrspiegel, der ihn anregt, sich mit dem eigenen Wertekompass auseinander zu setzen.

Andere nehmen das Thema wörtlich. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Dass "fett" nicht immer so negativ besetzt war und in manchen Regionen auch noch ist, wie es Fitness- und Schlankheitsindustrie suggerieren, ist ein Aspekt, der mehrere Künstler beschäftigt. Die Farbstiftzeichnung "Masse bringt Kasse" von Adi Schreiber zeigt zwei Sumoringer, die sich zum Kampf bereit gegenüber stehen. Ein großer Roter Punkt im Hintergrund verweist nach Japan, wo die massigen Kämpfer heute noch hoch angesehen sind. Und in "Genug für alle" zeichnet Schreiber einen toten Wal in vereister Landschaft, neben dem der erfolgreiche Jäger steht. Sein Speer in der einen Hand und das Smartphone in der anderen verbinden Tradition und Moderne. Eine "fette Beute" zu machen war und ist bis heute für viele Kulturen überlebenswichtig. In der gesättigten kapitalistischen Gesellschaft wird diese Wendung zwar immer noch verwendet, nur eben mit verschobener Bedeutung.

Andreas Parzefall präsentiert eine Fettleber. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Einen überraschenden Gedanken hat Christa Geiger in einem ihrer Werke umgesetzt. Umrahmt von zahlreichen physikalischen Gleichungen hat sie auf schwarzem Grund "Fat Man" gemalt. Die Atombombe also, die am 9. August 1945 die Stadt Nagasaki in Schutt und Asche verwandelt hat - drei Tage nach dem Abwurf von "Little Boy" über Hiroshima. Mit ihrem Bild lenkt Geiger die Gedanken darauf, wie absurd und geradezu pervers es ist, die beiden verheerendsten je eingesetzten Kriegsmaschinen mit solch verniedlichenden Namen zu versehen.

Auch die ästhetische Frage wird mit verschiedenen Werken aufgeworfen. Beispielsweise von Ibtihal Alkhalidi, die eine übergewichtige Frau vor dem Spiegel zeigt. Im Bildnis sieht sie sich dem vorherrschenden Körperideal entsprechend schlank mit den Kurven an den "richtigen" Stellen. Die verzerrte Wahrnehmung trübt ihren Blick dafür, dass sie auch "im Original" in ihrem roten Kleid und mit wilden braunen Haaren durchaus attraktiv wirkt.

Der Kunstkreis beweist mit dieser Ausstellung zum wiederholten Mal, dass es durchaus möglich ist, sich ein sperriges Thema zu setzen und es dann so umzusetzen, dass die einzelnen Werke nicht für sich stehend zerfasern. Das ist mutig und zugleich erfrischend. Und es zeigt, welche künstlerischen Kleinode es überall im Landkreis zu entdecken gibt.

Ausstellung "Fett" des Kunstkreises Germering in der Stadthalle Germering, Vernissage an diesem Donnerstag von 19 Uhr an. Danach zu sehen bis 9. Dezember, dienstags bis samstags von 16 bis 20 Uhr

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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