Musik und Poesie:Mehr Spannung, mehr Experiment

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Singende Mönche, Hähnchen, Digitalsound und viele zufriedene Besucher bei der Kulturnacht

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Vielfalt zu Gast in Bruck: Rosemarie schwebt hoch über dem Geschehen im Klostergelände. (Foto: Günther Reger)

Knarzend öffnet sich die Holztür zum alten Keller hinter der Klosterkirche. Gut, das Geräusch wird zwar vom Schauspieler Andreas Harwath imitiert, eine Wirkung entfaltet es dennoch auf die etwa 50 Besucher, vor denen sich nun ein langer dunkler Gang erstreckt. Sie alle haben sich einer Führung über das Klostergelände angeschlossen. Sie ist einer der ersten Programmpunkte der Brucker Kulturnacht, bereits eine Viertelstunde vor Beginn hat sich am Torbogen neben der Klosterkirche bei noch immer schweißtreibenden Temperaturen eine größere Gruppe versammelt.

Um Punkt 19 Uhr ertönt irgendwo aus der Menschentraube die Stimme von Petra Vögele, sie ist Stadtführerin und an diesem Abend Leiterin des Klosterrundgangs. Ihr folgend, können die Teilnehmer dann gleich am eigenen Körper spüren, warum die Mönche vor Jahrhunderten einen Keller in diesem Hügel, einem Überbleibsel einer eiszeitlichen Moräne, eingerichtet haben: Zur Kühlung von Lebensmitteln, Bier und Wein. Unterstützt von zwei Schauspielern, Harwarth und Christina Schmiedel, erzählt Vögele dort die Geschichte von Filippo Balatri, einem italienischen Kastraten, der als Sänger bis an den Hof des russischen Zaren gekommen ist und dann seinen Lebensabend als Mönch im Kloster Fürstenfeld verbracht hat.

Als die Gruppe um halb acht immer noch im Keller steht, der ersten Station der Führung, werden die ersten Teilnehmer unruhig, beginnen in ihren Programmheften zu blättern. Immerhin beginnen gleich schon die nächsten Veranstaltungen. Und so schwärmen einige Teilnehmer auch sofort davon, als es wenige Minuten später aus dem Keller raus geht. Einige von ihnen steuern zielstrebig auf das Museum zu, wo gleich Hedwig Rost und Jörg Baesecke, Gewinner des Tassilo-Kulturpreises 2018 der Süddeutschen Zeitung, mit ihrer "Kleinsten Bühne der Welt" auftreten werden.

Die "Big Band Jiri Mares" bringt die Scheiben im Landratsamt zum Klingen. (Foto: Günther Reger)

Nur mit einem roten Zollstock ausgerüstet, steht Baesecke auf der Bühne und spielt das russische Märchen vom Hähnchen Goldkämmchen. Es erzählt die Geschichte eines armen Ehepaars das eines Tages eine Wundermühle und eben das Hähnchen bekommt. Eines Nacht kommt der Gutsbesitzer und stiehlt die Mühle. Also macht sich das Hähnchen auf, sie zurückzuholen. Mit seiner wunderbaren Stimme fesselt Baesecke junge wie ältere Zuhörer - und natürlich mit dem Einsatz des Zollstocks. Geschickt verwandelt er ihn von Szene zu Szene in das passende Bühnenbild, faltet ihn von Haus des Ehepaars zu einem Fuchs, Baum, Bären, zum Hof des Gutsherren. Ein zweiter, gelber Zollstock wird zum Goldkämmchen, ein flexibles Maßband, das an Baeseckes Gürtel befestigt ist, wird zum sprechenden Fluss. Die Show ist unterhaltsam und poetisch und mit einer Länge von 20 Minuten genau richtig fürs Kulturnacht-Konzept.

Überhaupt hat man heuer das Gefühl, dass das Programm etwas mutiger und spannender ist. So empfangen den Besucher bei einem kurzen Blick ins Haus 10 experimentelle Klänge aus der akustischen Gitarre von Johannes Öllinger, die er durch einen Computer ergänzt, während einige hundert Meter weiter im Salzturm der Stadtwerke - schon die Location ist bemerkenswert - das Trio "Organ Explosion" mit Hammondorgel und analogem Soundkästchen den Sound der Sechziger und Siebziger ins Heute holt. Bemerkenswert ist auch die Idee mehrerer Jugendorganisationen, den Niederbronner Platz mit Urban Gardening, Breakdance, Graffiti und Livebands in ein Kreativquartier zu verwandeln.

Im Kunsthaus nehmen derweil Roman Bunka und der syrische Bratschist Ehab Abou Fakher Platz. Um sie herum ist die Ausstellung "Syrien - Fragmente einer Reise" zu sehen. Als dann die ersten Töne aus Bunkas "Oud", einer orientalischen Kurzhalslaute, erklingen, weiß man als Besucher gar nicht, wohin man schauen sollen. Auf die Musiker, um sich ganz auf ihre Klänge einzulassen? Oder doch auf die eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Fotografien, die nun noch lebendiger wirken? Eine einstimmige Antwort finden die Gäste nicht, und so spaziert ein Teil von ihnen weiter an den Wänden entlang, während der Rest auf den Stühlen vor dem Duo Platz nimmt.

Genauso voll wie im Kunsthaus - und allen anderen Veranstaltungsorten, an denen man vorbei kommt - ist es auch im Stadtpark. Dort tritt wie schon in den vergangenen Jahren die Poetry-Slammerin Fee mit verschiedenen Gästen auf, heuer unter dem Motto "Dreifache Frauenpower". Und so sind neben Fee noch Sarah Potye und Katrin Freiburghaus zu hören. Fee, deren Texte sich oft an aktuellen Themen orientieren, trägt einen Text zur Metoo-Debatte vor, mit der gewohnten Mischung aus Ernst und Unterhaltung. So gibt sie ihrer Freude Ausdruck, dass sie als Operngesangsstudentin im nächsten Semester fechten lernt, weil sie sich so viel eleganter gegen Übergriffe verteidigen könne als etwa mit einem Messer. Und sie kündigt an, in Tarantino-Manier einfach jedem Übergriffigen mit ihrem Degen einen Penis in die Stirn ritzen zu wollen.

Im Kunsthaus spielen der syrische Bratschist Ehab Abou Fakher (im Bild links) und Roman Bunka gemeinsam in Mitten der Ausstellung "Syrien - Fragmente einer Reise". (Foto: Günther Reger)

Mit dem Gefühl, eine gute Mischung von Kultur erlebt zu haben, geht der Abend dann gemütlich zu Ende - verbunden mit der Hoffnung, dass es auch im kommenden Jahr wieder so eine spannende und unterhaltsame Kulturnacht geben wird.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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