Morgenläuten:Nachspiel im Glockenstreit

Lesezeit: 2 min

Theologe wirft dem für die Fürstenfeldbrucker Pfarrei Sankt Bernhard zuständigen Pfarrer vor, das Laiengremium übergangen zu haben, und spricht von autoritärem Stil

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Für die Verantwortlichen der Kirche ist der Streit ums Läuten der Kirchenglocken in Sankt Bernhard beigelegt - bis zur Fertigstellung der Kirchturmrenovierung wird aufs morgendliche Angelusläuten verzichtet. Die Nachbarn, die sich vor allem an Wochenenden und Feiertagen um den Schlaf gebracht fühlten, sind zufrieden. Gleichwohl wird der Ton in den sozialen Medien und in den Leserbriefspalten rauer. Neben den Nachbarn, die ihren Protest per Unterschriftenliste vorgebracht hatten, geraten nun auch Pfarrer und Pastoralreferent in die Schusslinie und werden beschimpft, weil sie dem Kompromiss "um des Friedens Willen" zugestimmt hatten. Vereinzelt wird der Vorwurf laut, sie hätten sich über Empfehlungen von Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung hinweggesetzt.

Besonders deutlich wird Bernhard Hein. Der 68 Jahre alte Soziologe und promovierte Theologe ist als kantiger Querdenker bekannt, der in bisweilen sehr deutlichen Worten keinen Hehl aus seiner Meinung macht. Öffentlich in Erscheinung trat er vor allem als Mitglied des Brucker Beirats für Menschen mit Behinderung sowie als Mitarbeiter der Senioren-Begegnungsstätte Eichenau - vor vier Jahren wurde er für die lange ehrenamtliche Tätigkeit mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. In einem Leserbrief spricht Hein nun von einem Skandal und wirft Pfarrer Stefan Scheifele, der den Pfarrverband nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden von Albert Bauernfeind kommissarisch führt, sowie Pastoralreferent Johannes Sporrer Selbstherrlichkeit vor. Hein spricht von einer "autoritären Kirche" und "einsamen priesterlichen Entscheidungen unter Missachtung der Laien". Die Verantwortlichen seien "völlig vor den Beschwerdeführern eingeknickt". Da seien "ähnliche Proteste gegen Sankt Magdalena und die Klosterkirche" fast schon programmiert. Im Glockengeläut sieht Hein "ein öffentliches Symbol [...]für die Religionsfreiheit. Wenn die Gremien nun wiederum vor dem Pfarrer einknickten, hätten sie "ihre Existenzberechtigung verloren".

Harsche Worte, die Pfarrer Scheifele betont gelassen aufnimmt - "weil ich weiß, von wem es kommt". Reagieren werde er darauf nicht. Scheifele steht zu der Entscheidung, aufs zweiminütige Angelusläuten werktags um sieben Uhr und an Wochenenden um acht Uhr vorerst zu verzichten. Beim dreiminütigen liturgischen Läuten um zwölf und 19 Uhr soll es bleiben. Deshalb sieht der Pfarrer in dem Zugeständnis an die Kritiker auch "nicht den Untergang des Abendlandes". Das Vorgehen habe er bereits mit Pfarrer Otto Gäng besprochen, der zum 1. März von Gauting in den Pfarrverband Fürstenfeld wechselt. Gäng selbst wollte sich nicht äußern: Er kommentiere Themen grundsätzlich nicht aus der Distanz und ohne genaue Kenntnis der Situation vor Ort.

Rückendeckung bekommt Pfarrer Scheifele von Elfriede Pollner, der Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats. Sie widerspricht der harschen Kritik Heins. Zwar habe sich das ehrenamtliche, mit Laien besetzte Gremium in der Tat für den Beibehalt des morgendlichen Läutens ausgesprochen, nachdem man sich zuvor auf Zugeständnisse wie den Verzicht aufs einminütige Nachläuten am Morgen und die Verlegung des Läutens an Wochenenden von sieben auf acht Uhr eingelassen hatte. Der Pfarrgemeinderat sei sich aber bewusst, dass er beratende Funktion habe und der Pfarrer letztlich die Entscheidung treffen müsse, so Elfriede Pollner. "Und ich akzeptiere diese Entscheidung." Jene Entscheidung bedeutet mitnichten das ultimative Aus fürs morgendliche Läuten. Vielmehr soll zunächst die Sanierung des Turms abgewartet werden, in deren Verlauf auch eine Schalldämmung vorgesehen ist. Anschließend soll eine einheitliche Glockengeläutordnung erarbeitet werden. Mindestens bis Ende des Jahres könnte dies nach Einschätzung der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden dauern.

Moderatere Töne als Hein schlägt unter anderem Christian Horger an, der ebenfalls in der Nachbarschaft von Sankt Bernhard wohnt. In einem Leserbrief in der SZ spricht er sich, ebenso wie mehrere Brucker in den sozialen Medien, gleichwohl für den Beibehalt des morgendlichen Läutens aus. Der Klang der Glocken sei im christlichen Abendland "geliebte Tradition und Kultur", schreibt Horger, der sich ausdrücklich anbietet, nun wiederum selbst Unterschriften zu sammeln für das morgendliche Läuten und viele Gleichgesinnte hinter sich glaubt.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: