Mitten in Türkenfeld:Höllische Hybris

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Eine Wasserfontäne fällt ins Wasser

Von Stefan Salger

Aus Weilern werden Dörfer, aus Dörfern Städte, aus Städten Weltstädte. Doch irgendwann, so lehren es die Geschichtsbücher, verblasst der Glanz und die Metropolen segnen das Zeitliche, verschwinden buchstäblich in der Versenkung. Schuld sind nicht immer Naturkatastrophen, schuld ist oft die Hybris des Menschen. Sehen wir uns nur Troja an oder Atlantis oder Babylon.

Türkenfeld scheint ebenfalls auf die schiefe Bahn geraten zu sein. Der Ex-Weiler, der die Metamorphose zum Dorf längst hinter sich hat und an der Schwelle zur Stadt steht, hat durch eine günstige Fügung nun immerhin etwas Zeit gewonnen für Besinnung und Umkehr.

Der Ort hat bedeutungstechnisch in den zurückliegenden Jahren ordentlich zugelegt. Es gibt alles, was einer Weltstadt gut zu Gesicht steht: eine Feuerwehr, einen Musikverein, eine eigene Bergweihnacht und sogar eine Tankstelle mit angeschlossenem Café. In dem hätte am Sonntag eigentlich aus besonderem Anlass Kaffee und Kuchen serviert werden sollen. Da nämlich wollte Türkenfeld schon mal den Schulterschluss herstellen zu Genf und Chicago - Zwischenetappen auf dem Weg nach oben.

Sie stand schon bereit und war fest am Grund des Dorfweihers vertäut: die himmelsstürmende Fontäne, die in die gleiche Richtung zielt wie einst der Turm zu Babel. In den Farben des Regenbogens illuminiert. Hybris! Dann, pünktlich zur geplanten Inbetriebnahme am Sonntag, kam die Naturkatastrophe. Regen ohne Ende. Der blasphemische symbolische Akt fiel ins Wasser.

Was nun? Niemand scheint so recht zu wissen, wie es weitergeht. Kann man es sich leisten, den Fingerzeig zu ignorieren? Eine Neuauflage der Eröffnung wurde zumindest erst einmal auf Mitte September verschoben. Oder sollte man die Fontäne nicht gleich ganz stilllegen? New York, Tokio und Moskau kommen auch ganz gut klar ohne rekordverdächtigen Springbrunnen. Der Ausblick vom Café an der Tankstelle ist gewiss auch so sehr schön. Vor allem aber: Türkenfeld würde der Geschichte die Stirn bieten, müsste mithin nicht untergehen.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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