Mitten in Schöngeising:Die Melusine auf der Amper

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(Foto: N/A)

Auf der Wasseroberfläche des Flusses treibt neuerdings ein phantastisches Wesen

Kolumne von Christian Hufnagel

Die Amper ist zweifelsfrei das schillernde Gewässer des Landkreises. Der wichtigste Zufluss der Isar taucht in Grafrath hier auf und verabschiedet sich hinter Olching wieder. Und transportiert auf seinem gewundenen Weg neben Schlauchbootfahrern durchaus auch noch ein paar Fische wie Huchen, Äschen oder Nasen. Was der Ausflügler aber an diesem Dienstag hinter dem Wasserkraftwerk in Schöngeising im Wasser sehen wird, mag dann doch zu einer noch größeren Überraschung werden, als gefährdete Fischarten zu entdecken. Für eine halbe Stunde, angekündigt ist von 12 bis 12.30 Uhr, wird dort auf der Wasseroberfläche ein Wesen treiben, das als ausgestorben gilt. Im Mittelalter geisterte die Gestalt noch durch allerhand (Dichter-)Köpfe, erfreute sich bis ins 20. Jahrhundert hinein außerordentlicher (literarischer) Popularität, ehe es schlagartig still um sie wurde.

Aber nun verhilft ein kreativer menschlicher Geist aus Schöngeising der Melusine zur Wiedergeburt. Der pensionierte Berufsschullehrer Ulrich Nußmann befeuerte bereits in der Vergangenheit mit ungewöhnlichen Installationen die Phantasie der Betrachter, erinnert sei an sein "Spektakelum", eine geräuschstarke Maschine aus Schrott und ausgedienten Gebrauchsgegenständen, oder seine "Windbraut", deren Starfighterflügel als Resonanzkörper für den Wind diente. Nun also eine mystische Sagengestalt aus Holz: ein 1,80 Meter langer blank gehobelter Frauenkörper mit einer Schwanzflosse, 30 Kilogramm schwer, aus einer Thuje aus Nachbarsgarten geschnitzt, in drei Teilen gefertigt und zusammengesetzt. Und damit die Ampernixe beim Bad ihren Schwerpunkt hält und sich nicht dreht, hat ihr Schöpfer sie im Inneren mit Metallteilen beschwert.

Damit die Menschen eine Flussjungfrau einmal kennenlernen können, lässt Nußmann sie "im fließenden Wasser baden und versonnen in den Himmel schauen". Allerdings sollte man sich besser nicht in sie verschauen. Denn der düsteren Sage nach verhalf die Melusine einem Ritter zwar zuerst zu Ansehen und Reichtum. Er musste allerdings eines beherzigen: Zu bestimmten Zeiten, in denen sie ihre wahre nicht-menschliche Gestalt annimmt, darf er sie nicht ansehen. Der edle Mann bricht jedoch das Tabu, seine schöne Glücksbringerin verschwindet und er verarmt. Soviel Symbolkraft wird das Schöngeisinger Abbild freilich erst gar nicht entfalten können. Denn der hölzernen Melusine ist es laut dem Künstler wohl bestimmt, auf die MS Utting zu kommen. Das ausrangierte Ausflugsschiff ist auf eine Eisenbahnbrücke in Sendling gehoben worden und soll dort zum Lokal werden - mit dann wahrscheinlich einem mystischen Wahrzeichen aus Schöngeising.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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