Mitten in Puchheim:Vergängliche Wolllust

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Durch Wind und Wetter unidentifizierbar geworden ist dieses Woll-Geschöpf in der S-Bahn-Unterführung. (Foto: SZ)

Wie aus einem Projekt zur Verschönerung der Stadt allmählich eine Apokalypse wird

Kolumne von Florian J. Haamann

Die wohl eindrucksvollste und zugleich verstörendste Darstellung der sieben Todsünden stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts vom niederländischen Maler Pieter Bruegel dem Älteren. Dämonische Tiere und Mischwesen, Tod und Gewalt. Es gibt keine noch so abscheuliche Darstellung, die man in seinen Bildern nicht findet. In seiner Vorstellung der "Wollust" etwa malt er kopulierende Tiere, Menschen eng umschlugen mit satanischen Wesen und einen offenbar wohlhabenden Mann, der von einer Meute vertrieben wird. Und als seien sie zum Leben erweckt worden, hängen derzeit in Puchheim Figuren, die aussehen, als seien sie einem Bruegel-Gemälde entflohen. Sie sind, da schließt sich der Kreis, Überbleibsel der großen "Wolllust", die Puchheim im vergangenen Jahr überkommen ist.

Anfang Juli hatten die Frauen des Strickcafés im Mehrgenerationenhaus Zap angekündigt, bis Ende 2017 überall in der Stadt Objekte "verschönern" zu wollen, indem sie sie umstricken. Auch der Bürgermeister war begeistert, sprach davon, wie solche Aktionen sich auf das soziale Miteinander auswirkten. Allerdings war die Wirkung nicht ganz so wie gewünscht, statt geschlossener Zustimmung gab doch einige Kritik.

Nun ist die Aktion seit einem Vierteljahr beendet, doch die Strickereien hängen noch immer. Besonders gut zu sehen in der Unterführung des S-Bahnhofes. Monatelang Wind und Wetter ausgesetzt, sind die einstmals möglicherweise hübschen Strickereien völlig zerstört. Von einigen hängen nur noch grau-braune Fetzen am Geländer, andere, wie eben die Darstellung eines unidentifizierbaren Tieres, wirken regelrecht verstörend. Es besteht aus einem unförmigen grauen Körper, mit übergroßem Kopf, einem Auge, das den Betrachter durchdringend anblickt und verkümmerten, ums Geländer geschlungenen Gliedmaßen. Sollten diese Woll-Sünden also noch länger hängen bleiben, läuft Puchheim Gefahr, sich nach und nach in ein apokalyptisches Gemälde zu verwandeln.

© SZ vom 05.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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