Mitten in Puchheim:Boykott der Alpenrepublik

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Eine unbeugsame Kleinstadt vor den Toren von München hält die Fahne des Antifaschismus hoch und ruft zum Boykott auf. Die neue Kindertagesstätte am Wohnpark Roggenstein wird nicht mit Ziegelsteinen aus dem Land eines Haider gebaut

Von PETER BIERL

Als ÖVP und FPÖ das erste Mal eine gemeinsame Regierung bildeten, gab es einen Aufschrei in der EU, die Alpenrepublik war international isoliert. Die Neuauflage der schwarzbraunen Koalition in Wien wird in der EU hingenommen, weil westliche Werte nur für Sonntagsreden taugen. In der ganzen EU? Nein, eine unbeugsame Kleinstadt vor den Toren Münchens hält die Fahne des Antifaschismus unverdrossen hoch und ruft zum Boykott auf. Die neue Kindertagesstätte am Wohnpark Roggenstein in Puchheim wird nicht mit Ziegeln errichtet, die im Land von Hitler und Haider geformt wurden.

Das ist Fakt, aber die Begründung doch weit weniger heroisch. Das Planungsbüro, das die Kommune beauftragt hatte, hat einen Fehler gemacht und im Leistungsverzeichnis nicht bloß reingeschrieben, welche Anforderungen die Ziegel erfüllen müssen, sondern gleich ein Produkt vorgegeben. Dann ging die Ausschreibung raus und ein örtlicher Ziegelbrenner musste feststellen, dass er "Wienerberger", so der Name, nicht im Sortiment führt. Diese Art von Ziegel muss man bei einer bestimmten Firma in Österreich ordern. Der Fürstenfeldbrucker Fabrikant beklagte sich in Puchheim und fand Gehör bei dem Stadt- und Kreisrat Max Keil (UBP/ÖDP). Der erreichte hinter den Kulissen, dass die fehlerhafte Ausschreibung korrigiert wurde.

Dieses Planungsbüro sei untragbar, ereiferte sich Keil nichtsdestotrotz in der Sitzung des Stadtrats vor einigen Tagen. Puchheim habe sich schließlich Ökologie und Fair Trade auf die Fahne geheftet. Wie könnte man nur auf den Gedanken kommen, Produkte aus dem fernen Ausland zu kaufen, wenn Brucker-Land-Ziegel sind so nah. Als langjähriger und inzwischen ehemaliger Geschäftsführer des Brucker Schlachthofes weiß Keil in Sachen Qualität aus der Region um die Tücken der Qualitätssicherung ja bestens Bescheid. So konnte der Herold der regionalen Wirtschaft wieder einmal einen leichten Sieg zugunsten des heimischen Mittelstands erfechten. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein, wenn auch nur eine Kommune aus antifaschistischen Motiven auf österreichische Produkte verzichtet würde.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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