Mitten in Puchheim:Auf ein Bier mit dem Bewerber

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Die FDP lockt im Wahlkampf mit Alkohol

Kolumne von Florian J. Haamann

Ein einfacher Bürger, Gemüsehändler, verheiratet, patriotisch, zieht durch den Wahlkampf und hört sich mal an, was die Parteien ihm so anzubieten haben. Nach jeder Veranstaltung ist er von den großen Versprechen so begeistert, dass natürlich die gerade erlebte Partei sofort wählen will. "Ein älterer, aber leicht besoffener Herr" ist die wohl scharfsinnigste und zugleich unterhaltsamste Wahlkampf-Satire der deutschen Publizistikgeschichte. Erschienen ist der kleine Texte in waschechtem Berlinerisch am 9. September 1930 in der Weltbühne, verfasst vom großen Kurt Tucholsky. Er ist heute auch deshalb eine Lektüreempfehlung, weil er, selbst wenn man die Zeitbezüge und das politische Klima der Weimarer Republik einmal ausblendet, viel erzählt: Etwa, dass es immer hilft, den Besuchern im Wahlkampf Alkohol anzubieten. Weil er sie glücklich macht und die großen Versprechen besser ins Hirn sickern. Immerhin weiß Tucholsky Jemiesehändler am Ende des Abends inhaltlich nicht mehr viel, dafür aber, was es wo zu saufen gab.

Und so ist es nur konsequent, dass die Freien Demokraten in Puchheim nun zu einer Veranstaltung "Ein Bier mit mir" einladen. Ein gemütlicher Abend mit dem bayerischen Nationalgetränk und schon sollte die Wählerstimme doch sicher sein. Anders als bei Tucholsky in den Dreißigern will der FDP-Bürgermeisterkandidat dabei allerdings nicht von oben herab sein Wahlprogramm predigen, das die Bürger dann bitte doch zusammen mit dem Bier runterspülen sollen, sondern eine inhalts- und ergebnisoffene Diskussion führen. Damit soll zwei Wahlkampfzielen, die die FDP in Puchheim ausgegeben hat, näher gekommen werden: mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz. Mit der Hoffnung, dass es am Ende heißt: "Ick wah bei den Frejen Demokratn, da jabs hellet Bia. Ick werde die Leute wahrscheinlich wähln. Falls et sie bei der Wahl noch jibbt."

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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