Mitten in Olching:Unerwünschter Zuspätkommer

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Stadt- und Gemeinderatssitzungen sind ein Ort der Unaktualität. Nun ab und an drängelt sich ein Dringlichskeitsantrag auf die Tagesordnung und sorgt für Hektik

Von Andreas Ostermeier

Ich muss nur noch kurz die Welt retten", singt Tim Bendzko und schildert in seinem Song, wie es uns alltäglich geht. Immer kommt etwas dazwischen, und wenn es nur "148 Mails" sind, die noch zu checken sind, oder eine Mission, die zu erfüllen ist, ehe wir tun können, was wir möchten. Ständig ist unsere Reaktion gefordert, hier eine Nachricht, dort eine Werbebotschaft, da eine Vorgabe, die noch erreicht werden soll. Wir müssen auf vieles schnell reagieren. Reflex statt Reflexion: Das ist der Weg zum Burnout.

Doch es gibt einen Ort, an dem das Gebot der raschen Reaktion noch nicht gesiegt hat: der Gemeinde- oder Stadtrat. Dort wird nur darüber geredet, was auf der Tagesordnung steht. Und das ist viele Tage vorher aufgeschrieben worden. Diskussionen in einem politischen Gremium sind also vor allem eines: nicht aktuell. Das hat freilich einen guten Grund. Die Kommunalpolitiker sollen sich auf eine Diskussion und auf die danach anstehende Abstimmung in Ruhe vorbereiten können.

Manchmal aber drängelt sich die Aktualität in ein politisches Gremium hinein. Das nennt man einen Dringlichkeitsantrag. Ein sperriges Wort für eine Sache, die eher eine Sperre umgehen möchte. Der Dringlichkeitsantrag ist nämlich ein Zuspätkommer. Auf die Tagesordnung, sozusagen die Gästeliste der politischen Diskussion, hat er es nicht rechtzeitig geschafft. Dennoch will er dabei sein. Zur Begründung ruft dieser Antrag: "Ich bin dringlich, nehmt mich dran, sonst wird das, um was es mir geht, noch schlimmer." Der Dringlichkeitsantrag duldet keinen Aufschub.

So argumentierte kürzlich auch die Olchinger FW-Stadträtin Ruth Busl. Zwar wollte sie nicht die ganze Welt retten, sondern nur den Vogelpark, doch Aufschub duldete auch Busls Anliegen nicht. Bevor die Situation eskaliere, sagte die Kommunalpolitikerin, müsse der Stadtrat diskutieren und sich positionieren. CSU-Stadtratskollege Tomas Bauer, ganz der analytische Typ, der jeglichen Aktionismus verabscheut, verteidigte das Recht des Gremiums zur Unaktualität. Er könne keine Eskalation feststellen, sagte Bauer und wollte den dringlichen Tagesordnungsgast nicht in die Diskussion lassen. Doch in der, so fanden die anderen Stadträte, sei noch Platz. Sie ließen den zu spät Gekommenen ein und diskutierten mehr als eineinhalb Stunden über sein Anliegen. Bauer diskutierte übrigens ausgiebig mit. Mag sein, dass der Antrag von Busl, wie Bauer eingangs sagte, nicht dringlich war in dem Sinn, dass er unbedingt an diesem Abend besprochen werden musste, aber dringend war er auf jeden Fall. Sonst hätte sich nicht beinahe jeder Stadtrat zu Wort gemeldet. Und nebenbei wurde auch Bendzko bestätigt: Es gibt nämlich "viel zu viel zu tun".

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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