Mitten in Olching:Selbsterfahrung an den Containern

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Der Wertstoffhof übt im Sommer eine magische Anziehungskraft aus

Kolumne von Katharina Knaut

Es gibt Orte, die besitzen im Sommer eine magische Anziehungskraft: Der Wertstoffhof in Olching gehört dazu. Nun gibt es in der Stadt ja durchaus Treffpunkte für einen sonnigen Morgen: das Café im Gewerbegebiet Geiselbullach, den See, das Schreibwarengeschäft "Treffpunkt Wagner", das das Attribut sogar im Namen führt. Alle diese Orte verlieren samstags gegen zwölf Uhr ihren Reiz. Dann werden die Säcke mit frisch geschnittenem Rasen gepackt, die Taschen mit Leergut gefüllt, der Anhänger mit Sperrmüll beladen. Und halb Olching pilgert zum Wertstoffhof.

Das erste Zusammentreffen: der Kreisel zur Straße Richtung Gröbenzell. Dort reihen sich die Olchinger in die Schlange ein. Fünf Radiolieder später steht man endlich auf dem kleinen Platz mit den großen Containern. Eine ganz eigene Welt. Meterhohe blecherne Behälter. Aus einigen quellen Zweige, Äste und Gras. Dazwischen kleinere Container mit schmalen Luken, darunter verstreute Glasscherben. Auf den schmalen Gassen und breiten Straßen dazwischen tummeln sich die Menschen, schleppen Säcke und schieben Schubkarren. Halb Olching hat sich zum samstäglichen Ritual versammelt. Hauptanlaufpunkt: die Plastik- und Aluabteilung. Hier gibt es keine Container, nur riesige Säcke. Eine wahre Traube an Menschen hat sich davor versammelt. Neulinge erkennt man am verwirrten Geschichtsausdruck. Aufschriften wie "Verbundsverpackungen" sind auch nicht erhellend.

Hier zeigt sich, wie sehr die Menschen das Prinzip der inneren Gelassenheit verinnerlicht haben. Zwei Arten von Gemütszuständen treffen zusammen. Diejenigen, die ihre innere Mitte suchen, und diejenigen, die sie schon gefunden haben. Völlig gelassen tragen manche ihr Schnittgut zwischen Autos mit Anhängern oder Kleintransportern, ungeachtet dessen, ob diese gerade anfahren oder nicht. Hupkonzerte bringen sie nicht aus der Ruhe. Genauso wie fehlende Parkplätze. Die werden eigenhändig festgelegt, gerne auch in dritter Reihe. Leichte Bretter werden einzeln und zu zweit getragen, der Weg ist schließlich das Ziel.

Diejenigen, die diese Gelassenheit noch nicht erreicht haben, suchen ihr Heil in entgegengesetzter Richtung. Hier kommen vergessene Urinstinkte zum Vorschein. Es zählt das Recht des Stärkeren. Und das des größeren Autos. Parkplätze werden mit Hupen und quietschenden Reifen erobert. Bis um ein Uhr Mittag dauert das fröhliche Beisammensein. Dann schließt der Wertstoffhof. Die Menschen packen ihre Säcke und Anhänger und fahren ins Café oder an den See. Bis man am nächsten Samstag wieder am Wertstoffhof zusammenkommt.

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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