Mitten in Olching:Mysteriöser Babyboom

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Gleich sieben Olchinger feiern gleichzeitig ihren 70.Geburtstag. Gibt es eine Erklärung für diese Häufung? Ein Blick nach New York hilft

Von Stefan Salger

Olching ist ein rätselhafter Ort: Es gibt einen SPD-Bürgermeister, den sogar die Schwarzen mögen. Und während in der Kreisstadt die Narren aussichtslose Rückzugsgefechte führen, ziehen aus unerfindlichen Gründen Jahr für Jahr Tausende beim größten Faschingszug des Landkreises beharrlich durch diese Kleinstadt. Nun das nächste Mysterium: Wir entnehmen den Familiennachrichten dieser Zeitung, dass fünf Olchinger am Mittwoch ihren 70. Geburtstag gefeiert haben. Und an diesem Donnerstag feiern noch mal zwei. Wie lässt sich diese augenfällige Häufung erklären? Gibt es Parallelen zwischen Olching und New York, der ähnlich einzigartigen Stadt jenseits des großen Teichs? Am 9. November 1965 fiel dort um 17.16 Uhr der Strom aus und beim Blick aus dem New Yorker Schlafzimmerfenster war lediglich ein fahl leuchtender Vollmond zu sehen. Das Mount Sinai Hospital verzeichnete neun Monate nach jener Nacht an einem einzigen Montag 28 Geburten statt durchschnittlich elf, das Bellevue Hospital sogar 29.

Wir blättern in alten Chroniken. Hat es vor 70 Jahren und neun Monaten in Olching die Sicherungen rausgehauen? Nichts zu finden. Siedend heiß wird uns bewusst, dass Olching zwar nicht in Dunkelheit getaucht war, dass im November 1945 aber viele Männer nach dem Krieg zu ihren Frauen heimkehrten und die Wiedersehensfreude, nunja, riesig war.

Eine gewisse Ernüchterung kehrt freilich ein, als wir uns wieder der Olchinger Partnerstadt in spe New York zuwenden. J. Richard Udry entlarvte die Mär vom Babyboom nach dem Stromausfall 1970 in der Fachzeitschrift "Demography" als Ente: Häufungen bei den Geburten habe es damals nur in vereinzelten Kliniken gegeben. Langsam bröckelt unsere romantische Erklärung für die Häufung der Feiern zum 70. Geburtstag. Nun fällt uns auch auf, dass die Familiennachrichten keine einzige 70er-Geburtstagssause in Gröbenzell, Puchheim oder Eichenau auflisten. Ach, Statistik ist grausam. Immerhin dürfte der Frust in New York größer sein. Hier wie dort kein Babyboom. Aber hier - täterätä: ein SPD-Bürgermeister und ein jede mickrige Steuben-Parade toppender Faschingszug.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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