Mitten in Olching:Helden der Leinwand

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Wer hat das Kino im Biergarten erfunden? Ein Urheberrechtsdisput

Kolumne von Christian Hufnagel

Ein Gesetz des Wahlkampfes scheint es zu sein, je näher der Termin der Abstimmung rückt, umso aktiver wird der Bewerber in seinem Wahlkreis. Am Beispiel des noch amtierenden Mandatsträgers der SPD ist das dieser Tage anschaulich zu beobachten. Wichtige Themen versucht er nicht nur in Presseerklärungen, sondern mit Besuchen an signifikanten Orten gewissermaßen zu besetzen. So wird Michael Schrodi am kommenden Dienstag am Puchheimer Bahnhof mit interessierten Bürgern über den öffentlichen Nahverkehr diskutieren und sich anschließend bei der Nachbarschaftshilfe über soziale Angelegenheiten wie die ambulante Pflege und Kinderbetreuung informieren. Zwei Tage später wiederholt sich dieses Aufsuchformat: "Wind und Sonne für mehr Klimaschutz" will der Kandidat mit seinem Bayern-Chef und anderen Gästen am Windrad in Mammendorf erörtern.

Und nicht zuletzt macht sich der ehemalige Gymnasiallehrer auch für die Kultur stark. Wieder einen Tag später lädt er im Biergarten der Olchinger Braumanufaktur zu einem Kinoabend unter freiem Himmel ein, der in den Saal umzieht, wenn es schütten sollte. Und weil ein Kandidat selbstredend hervorhebt, was er leistet, hält die Ankündigung seines Büros damit auch nicht zurück: "Michael Schrodi hat das Ganze organisiert." Und weil in einem Wahlkampf aber andere politische Gesinnung nicht schläft, hat er mit diesem Selbstlob unversehens Ärger geweckt und damit unvermutet den ersten Aufreger geschaffen: "Trittbrettfahrer", erbost sich Gabriele Frank über diese für sie zu vollmundige Ankündigung: Schrodi greife etwas auf, was der Verein "Älter werden in Olching" seit 2016 mit großem Erfolg organisiere. In Zusammenarbeit mit dem Sozialzentrum läuft jeden zweiten Montagnachmittag eines Monats im Haus der Begegnung ein Kinofilm. Seit eineinhalb Jahren ist diese Reihe wegen Corona zwar unterbrochen. Aber im Herbst solle sie wieder anlaufen, betont die zweite Vereinsvorsitzende, die mit noch einem Unterscheid aufwartet: "Kinofans können nicht nur einen Film, sondern auch den besonderen Kuchen dazu als Überraschung erwarten."

Selbst ein kulinarisches Zuckerl bringt die ehemalige Kulturreferentin und Stadträtin der Freien Wähler also in die von ihrem Verein angestoßene Kulturdebatte ein. Von Schrodis einmaligem cineastischen Angebot fühlt sich Frank offenbar um die Urheberschaft einer langjährigen etablierten Kino-Reihe gebracht: "Das ist nix Neues", lautet ihr Urteil und hält der Partei des Kandidaten auf Ortsebene gleich noch vor, sich "in der Kultur nie engagiert zu haben".

Über diesem filmreifen Beispiel aus seinem Wohnort darf man gespannt sein, wer sich von Schrodis weiteren Terminen wie in der Nachbarschaftshilfe und am Windrad urheberrechtlich noch auf den Schlips getreten fühlen wird. Wie auch immer: Der Wahlkampf hat zweifelsfrei begonnen. Kleine Aufreger markieren meist den Anfang. Auch das folgt einer Gesetzmäßigkeit.

© SZ vom 07.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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